Kirchenaustritte im Rhein-Kreis Neuss „Das Erzbistum braucht einen Neuanfang“
Rhein-Kreis · Im Rhein-Kreis Neuss nehmen die Kirchenaustritte weiter zu. Wie reagiert der Kreiskatholikenrat darauf?
(jasi) Die gestiegene Zahl der Kirchenaustritte im Rhein-Kreis Neuss beschäftigt auch den Kreiskatholikenrat. „Immer öfter gehören dazu auch Menschen, die sich aktiv in der Kirche engagiert haben. Wir kennen sie und vermissen sie und ihren Einsatz“, teilt die Vorsitzende Jutta Köchner mit.
Zu den Zahlen: Im vergangenen Jahr sind kreisweit 2932 Menschen aus der Kirche ausgetreten – das sind 422 mehr als noch im Vorjahr. In Bezug auf das gesamte Erzbistum Köln stellt sich die Lage noch dramatischer dar: Waren es 2021 noch 40 772 Kirchenaustritte, sind für das vergangene Jahr nun 51 345 vermeldet worden. Bundesweit ergibt sich ein ähnliches Bild, wo die Anzahl der Kirchenaustritte „auf hohem bis sehr hohem Niveau liegt“, wie das Erzbistum jetzt bilanzierte.
Als mögliche Ursache für die aus Sicht der Kirche besorgniserregende Entwicklung nennt der Kreiskatholikenrat unter anderem die „inzwischen schon Jahre andauernde Krise“ um den Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki. Diese habe zu einem massiven Vertrauensverlust geführt. „Viele Christen, die noch nicht aus der Kirche ausgetreten sind, haben bereits ,innerlich gekündigt‘ und wir befürchten, dass die Austrittszahlen weiter hoch bleiben“, betont auch Vorstandsmitglied Thomas Kaumanns, der als weiteren Grund für die zunehmenden Austritte auch den „Schwund der Kirche vor Ort“ nennt. Tenor: Strukturen werden immer größer und immer anonymer, persönliche Kontakte und das Gefühl von Zuhause und Heimat gehen verloren. „Dazu gehören auch falsche Prioritäten. Beispiel: Mit dem Friedrich-Spee-Kolleg in Neuss wird eine Schule an der Basis vor Ort aufgegeben. Gleichzeitig baut das Bistum in Köln eine millionenschwere theologische Hochschule auf, deren Sinnhaftigkeit bezweifelt wird“, sagt Kaumanns.
Der Kreiskatholikenrat nennt auch Hebel, die aus seiner Sicht getätigt werden müssen. „Die Kirche muss aus der derzeitigen Selbstbeschäftigung heraus“, steht dabei an erster Stelle. „Das Verhältnis des Kölner Erzbischofs zu großen Teilen des Bistums gleicht einer zerrütteten Ehe, die nicht mehr repariert werden kann. Das Erzbistum braucht einen Neuanfang“, führen Köchner und Kaumanns aus. Die Kirche müsse den Menschen „zugewandt und menschenfreundlich“ sein sowie eine Sprache sprechen, die der Lebenssituation der heutigen Zeit entspreche.
Ähnlich hatte sich zuletzt bereits Hans-Günther Korr, leitender Pfarrer der Nordstadtgemeinden und Kreisdechant, geäußert. Die Kirche müsse „weniger um sich selbst kreisen“ und wieder mehr auf die Menschen zugehen, um ihnen in den wichtigen Glaubensfragen entgegenzukommen. Besorgniserregend sei zudem, dass immer mehr Menschen „aus dem inneren Kreis“ der Kirche austreten.