Königsparade in der Regenpause
Regiment zieht in Rekordstärke trockenen Fußes über den Markt.
Neuss. Es regnet nur während der Rede des Schützenpräsidenten. Zur Königsparade zeigt sich das launische Augustwetter von seiner guten Seite und beschert den 7562 Aktiven wie den zahlreichen Zuschauern die beste Grundlage für einen wunderbaren Kirmessonntag. Erst mit dem Ende der Parade um 14 Uhr wird es wieder dunkel, der Nachmittagsumzug wird abgesagt.
Hochrangige Ehrengäste sammeln sich am Morgen nach der Messe in St. Quirin im Rathaus. „Wonderful-wunderbar“ entfährt es dem britischen Botschafter, Sir Simon McDonald, der sichtlich begeistert auf dem Balkon steht und dem Aufmarsch der Schützen zusieht — dabei hat es doch noch gar nicht angefangen. Bischof Heiner Koch aus Dresden weiß dagegen, was auf ihn zukommt: Der frühere Kaplan aus Kaarst und Kölner Weihbischof ist schon das dritte Mal als Ehrengast dabei.
Lebhaft und plauderfreundlich zeigt sich der Mann, der das zweithöchste Amt im Staat bekleidet: Norbert Lammert, unauffällig beobachtet von seinem weiblichen Bodyguard, hat offenkundig Spaß an dieser Festveranstaltung. Hermann Gröhe habe ihn „sehr nachdrücklich“ nach Neuss gebeten, sagt der Bundestagspräsident. „Er hat mir gesagt: Meine vielen Besuche in der Stadt zählen nichts, wenn ich nicht einmal zur Parade komme“, berichtet er. Er wisse, was ihn erwarte, sagt Lammert. Doch dass er beim Königsmahl aus einem goldenen Becher trinken wird, überrascht ihn dann doch.
Noch mehr als sonst wird auf dem Bürgermeisterflur kurz vor der Parade geplauscht. Thomas Geisel, gewählter Oberbürgermeister von Düssseldorf, kommt kurz hoch. Einen Tag vor der Amtsübernahme marschiert er bei den Grenadieren mit und nutzt die Gelegenheit, mit dem Amtskollegen Herbert Napp ein paar Worte zu wechseln. König Rainer III. nimmt rasch ein letztes Häppchen. Ein Jahr lang hat er sich auf „seine“ Parade gefreut, jetzt sind es nur noch wenige Minuten. Schützenmeister Martin Flecken hat wieder einmal alles im Griff.
Besucherin über den Regen
Die Tribünen sind längst besetzt, seit halb neun Uhr haben die Menschen ihre Plätze eingenommen. Man kennt sich aus. Auch der Regen, der pünktlich zur Rede von Präsident Thomas Nickel (Foto) einsetzt, kann die Freude nicht trüben. „Quirinus hat bloß abstauben wollen, das dauert nicht lang“, sagt eine Dame — und hat recht. Nickel erinnert an den Kriegsbeginn vor 100 Jahren, als auch viele Neusser Schützen die Holzgewehre gegen scharfe Waffen tauschten und als so mancher nicht nach Neuss zurückkehrte.
Die Edelknaben haben sich währenddessen unter die Rathaus-Arkaden verzogen, doch nach der Rede stehen sie wieder vorn. Alle Abläufe sind so, wie sie sollen und müssen, die Hönesse erscheinen unter Beifall, die Grenadiersänger bringen ihr Ständchen, die Sappeure machen den Platz frei, und dann schaltet die Ampel auf dem Rathaus von Rot auf Grün.
Beifall für die Schützen und Musiker, die Fahnenschwenker, Winken, Rufe: Die Neusser genießen „ihr“ Fest im vollen Zügen.
Auf der Tribüne sitzt Henriette Buchfeld mit Freunden. „Immer in der letzten Reihe“, sagte sie. Na klar, die beste Aussicht, bis in den Büchel hinein. Der Eierlikör fließt, weiter unten kreist der erste, zweite, dritte Pikkolo. Ein Enkel von Frau Buchfeld ist Musiker bei Frohsinn Norf, der andere marschiert bei den Grenadieren mit. „Der lebt längst in München, kommt aber jedes Jahr zum Schützenfest“, sagt sie. Wie das eben so ist an diesen Tagen in Neuss.
Grenadiere und Jäger, die Schützenlust in ihrem 150. Jahr, Hubertus-Schützen, Schützengilde, Scheibenschützen, Artillerie-Corps und Reiter passieren den Markt. Um 14 Uhr ist Schluss. Dabei bleibt es: Kurz vor 16 Uhr fällt nach dem Blick in den Himmel und auf diverse Wetter-Apps die Entscheidung: Der Umzug des Nachmittags wird abgesagt.