Landestheater/Neuss: „Eine Lösung gibt es immer“
Natalie Hatnik ist die Frau für die Requisiten. Für das „rote Schaf“ wird sie derzeit auch zur Köchin.
Neuss. Der Tag gestern - es ist ihr Geburtstag - beginnt wie so oft in letzter Zeit. 7.30 Uhr, Pfanne auf den Herd, 20 Hackbällchen braten. Dann wird ein Kilo Magerquark gepresst. Das Fleisch kommt auf den Tisch, der Quark wird geworfen. Als "Ritterpudding" landet er im Gesicht eines Schauspielers. Für beides - und noch viel mehr - ist Natalie Hatnik verantwortlich. Sie ist Requisiteurin am Rheinischen Landestheater und derzeit unter anderem für das Kinderstück "Das rote Schaf" zuständig.
Gerade rollt sie ein gewaltiges Knäuel auf. 129 Meter lang ist der Schal, den Theaterfreunde für die Inszenierung gestrickt haben. Nach jeder Vorstellung muss der Berg von Schal entwirrt, zusammengerollt und gefaltet werden, damit er beim nächsten Mal wieder genau richtig aus der Höhe auf die Bühne fallen kann. Eine der leichteren Aufgabe für die Requisiteurin, die mit ihrer Kollegin Anna Gonschar alle Inszenierungen des Theaters betreut.
Groß ist der Fundus der Requisite mit Utensilien aller Art. Während der Proben zu neuen Stücken liefert das Duo, was immer gewünscht wird. Vom Aschenbecher bis zum Schokoriegel.
Ernst wird es bei den ersten "Ama"-Proben in der Woche vor der Premiere, wenn "alles mit allem" zusammenkommt: Licht und Ton, Bühnenbau, Make, Kostüme und eben die Requisite. Dann fällt auf, dass etwas nicht passt, geändert werden muss.
Ohnehin sind Natalie Hartnik und ihre Kollegin vor allem als Problemlöserinnen gefragt. Der Quarkpudding ist ein Beispiel. Wackelpudding war der erste Vorschlag. Doch der hätte mit seinem hohen Zuckergehalt die Kostüme verklebt und verdorben. Rasierschaum wurde ausprobiert. Doch als der getroffene Schauspieler dann tief einatmete, hatte sich auch diese Idee erledigt. Der Quarkpudding funktioniert.
Eis ist ebenfalls eine wichtige Requisite in diesem Stück. Damit der Hirte, dem der Traum vom Erdbeereis in Erfüllung geht, auch wirklich schwelgen kann, füllt Natalie Hartnik auf Zuruf des Inspizienten genau eine Minute vor dem Eis-Auftritt das Hörnchen.
Schwierig wird es bei Abstecherauftritten, wenn die Tiefkühltruhe fehlt. Die Requisiteurin weiß Rat. Mini-Mohrenköpfe reisen mit, vor der entscheidenden Szene wird der Schokoladenüberzug entfernt und durch rote Marmelade ersetzt.
Gebastelt wird so manches Mal. "Der gute Mensch von Sezuan" etwa. Die drei Prostituierten sollen im Regen stehen. Natalie Hatnik entwickelt eine Konstruktion, bei der über Sprühflaschen Wasser auf die Schirme gepumpt wird und dann rund um den Schirm wieder abläuft. So tragen die Frauen eigentlich nicht vorgesehene Handtaschen, in denen die Flaschen verborgen sind.
Natalie Hatnik kocht und räumt auf und ab, sie organisiert und improvisiert, kauft an, schießt hinter der Bühne mit Platzpatronen, drückt die Knöpfe für die Arbeitsamtnummerntafel bei Café Umberto, behält den Überblick und auch unter permanentem Zeitdruck die Ruhe. "Es gibt immer eine Lösung", sagt sie. Soll heißen: Sie findet immer eine. Man glaubt es ihr.
Heute morgen sind wieder die Hackbällchen dran. Aber die Schauspieler geben das rote Schaf so oft, dass einige die Bällchen nicht mehr sehen können. Natalie Hatnik ist da ganz pragmatisch. Auf dem Teller liegen jetzt auch Ferrero Rocher und gedrehte Brotkugeln.