Modellprojekt Jugendstrafvollzug: Mit Betreuer ins Bordell?

Minister stoppt Modellprojekt nach schweren Vorwürfen.

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Dormagen. Das landesweit einmalige Modellprojekt „Jugendstrafvollzug in freien Formen“ im Dormagener Raphaelshaus ist beendet: Am Mittwoch stoppte Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) die Maßnahme, nachdem „der Verdacht bekannt wurde, dass ein Mitarbeiter der Einrichtung erhebliche Pflichtverletzungen begangen haben soll“.

Die Vorwürfe: Am 1. Weihnachtstag zog demnach ein Diplom-Sozialpädagoge (38) mit drei jugendlichen Straftätern im Alter von 17 und 18 Jahren nach Düsseldorf ins Bordell. Außerdem sollen die vier die Silvesternacht feucht-fröhlich in Köln verbracht und „verspätet und stark alkoholisiert“ zurückgekehrt sein.

Das Raphaelshaus informierte mit Brief vom 29. Januar das Ministerium. In dem sehr allgemein gehaltenen Schreiben sei über „im Raum stehende Vorwürfe“ informiert und eine größere Gesprächsrunde erbeten worden, sagte Pressesprecher Peter Marchlewski am Mittwochabend. Im Raphaelshaus selbst seien die Vorfälle erst am 27. Januar aufgefallen.

Am Montag dieser Woche fand die Besprechung statt, und erst dann, so heißt es aus dem Ministerium, wurden die Vorfälle konkret benannt.

Zur Klärung sollten die drei Jugendlichen nicht im Raphaelshaus, sondern in der JVA Wuppertal befragt werden. Während sie ihre Sachen packten, brach der vierte von fünf Projektteilnehmern, ein 16-Jähriger, ein Fenster seines Zimmers auf und flüchtete. Er war bis Mittwochabend nicht gefasst.

Der Diplom-Sozialarbeiter äußerte sich nicht zu den Vorwürfen, kündigte allerdings sofort fristlos. Seitdem sei er verschwunden, so der Ministeriumssprecher.

Nach der Befragung der Jugendlichen im Wuppertaler Gefängnis am Dienstag habe sich der Verdacht erhärtet, deshalb entschied Minister Kutschaty am Mittwoch, das einst von allen Parteien hochgelobte Modellprojekt zu beenden.

Der Minister erklärt hierzu: „Der Jugendstrafvollzug in freien Formen wurde von allen im Landtag vertretenen Fraktionen getragen. Dieses breite Vertrauen ist durch die Verdachtsfälle grundlegend er-schüttert.“ Das Raphaelshaus betonte am Abend, man habe unmittelbar nach Aufdeckung der Vorkommnisse Projektpartner und Aufsichtsbehörden informiert.

Dazu zählte auch noch die Erpressung eines Jugendlichen durch zwei weitere Jugendliche innerhalb der Gruppe. Gegen den Sozialarbeiter sei wegen des „ungeheuerlichen Anfangsverdachts“, der sich durch eigene Untersuchungen erhärtet habe, eine strafrechtliche Überprüfung eingeleitet worden.