Neuss: 20 Jahre auf Spurensuche

Die Ambulanz für Kinderschutz der Evangelischen Jugend- und Familienhilfe auf dem Gelände des Lukaskrankenhauses wurde1988gegründet.

Neuss. 286 Mädchen und 158 Jungen aus dem Rhein-Kreis Neuss haben im vergangenen Jahr unter anderem nach sexuellem Missbrauch, Misshandlung oder Vernachlässigung Hilfe von den Psychologinnen der Neusser Ambulanz für Kinderschutz bekommen.

Das ist etwas mehr als der Durchschnitt von 400 betroffenen Kindern und Jugendlichen in den vergangenen fünf Jahren.

Doch das sind nur Zahlen - jeder einzelne Fall macht betroffen und verlangt dennoch von den Kräften der Ambulanz tatkräftige professionelle Hilfe. Spurensuche nennen die vier Diplom-Psychologinnen in der Ambulanz an der Preußenstraße ihre Arbeit.

Dabei werde eine "systematische Herangehensweise" bevorzugt, um zu klären, ob ein Kind sexuell missbraucht wird. Das bedeutet: Überwiegend mit den verantwortlichen Erwachsenen - die nicht des Missbrauchs verdächtig sind - werde eine Klärung für die Besorgnis um das Kind erarbeitet.

"Schon allein dieser Prozess der Beratung kommt direkt dem Kind zugute - da er die Aufmerksamkeit der verantwortlichen Erwachsenen für das Kind und die Einfühlung in die kindlichen Empfindungen schult - und die Kinder gesehen werden", erläuterte Ambulanz-Leiterin Viola Meurer-Blasius anlässlich eines Festaktes des 20-jährigen Bestehens im neuen Forum des Lukaskrankenhauses. Und das bedeutet auch, dass die Zahlen der Personenkontakte der Psychologinnen deutlich höher sind als die der Opfer.

Mit 1.200 Menschen aus 512 Fällen hatten es die Kräfte der Ambulanz im vergangenen Jahr zu tun. Dass diese Zahlen rückläufig sind (im Jahr 2003 gab es 718 Fälle mit fast 1.600 Personenkontakten), habe laut Koordinator Peter Stieler nichts mit einer tatsächlichen Abnahme der Fälle zu tun.

"Noch vor Jahren war Missbrauch das Tabu-Thema. Da traute sich kaum jemand drüber zu sprechen." Heute sei das Klima deutlich offener geworden und die Notfallmeldungen würden dementsprechend auch breiter gestreut und landeten nicht nur noch in der Ambulanz für Kinderschutz.

Neben dem Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch ist Prävention ein weiterer Schwerpunkt der Ambulanz-Arbeit. "Damit Kinder eine gesunde Ich-Stärke, ein bejahendes Körpergefühl haben, brauchen sie Vorbilder, sowohl zu Hause als auch in ihrer Umwelt, im Kindergarten, in der Nachmittagsbetreuung und in der Schule", erläuterte Meurer-Blasius.

Diese Vorbilder müssten darauf vorbereitet sein, möglichen Missbrauch unter ihren Schützlingen zu sehen. Deshalb werden die Erzieherinnen, Lehrerinnen und Krankenpflegerinnen und ihre männlichen Kollegen entsprechend geschult.