Neuss: 800 Jahre Weihnachts-Tradition

Vorläufer des Krippenspiels gab es schon in den Anfangsjahren der neuen Kirche.

Neuss. Im nächsten Jahr wird sich die Stadt an den Baubeginn von St.Quirin erinnern. Vor 800 Jahren entstand eine neue Kirche auf Grundlage des Vorgängerbaus.

Wenn die Jungen und Mädchen des Kindergartens St.Quirin ihr Krippenspiel proben, wenn sie in der Weihnachtsmesse ihren großen Auftritt haben werden, dann setzen sie eine Tradition fort, deren Ursprünge in eben diese Zeit fallen. Damals wurden bereits Grundzüge des heutigen Festes angelegt.

Um 1209 war das Wort Weihnachten den Neusser wohl noch nicht lange vertraut. Belegt ist der Begriff seit 1170: "Er ist gewalltig unde starc, der ze wihen naht geborn wart: das ist der heilige krist", heißt es in einer mittelhochdeutschen Spruchsammlung.

Die Wihe Naht in Neuss vor 800 Jahren: Eine Zeit des Umbruchs auch im kirchlichen Bereich, sagt Thomas Ludewig, Volkskundler am Clemens-Sels-Museum. Die deutsche Sprache setzte sich allmählich durch. Nicht in der Liturgie, aber zum Beispiel bei den Mysterienspielen.

Die hatten sich aus den Wechselgesängen der Geistlichen entwickelt und formten sich weiter zu Szenenspielen, in denen Laien bald auch kostümiert während des Gottesdienstes die Geschichte Jesu Geburt nachspielten.

Immer komplexer und realistischer wurden diese Spiele, da blökten Schafe in der Kirche, es gab Regieanweisungen und Requisiten, und auch das Christkind lag in seiner Krippe.

Im Erzbistum Köln, so ist überliefert, wurde es mit so heißem, in der Kirche gekochten Brei gefüttert, dass es schrie und die Mutter einen großen Streit vom Zaun brach. Irgendwann wurde es dem Klerus zuviel; die Spiele wurden aus der Kirche verbannt.

Zu den ersten Quirinus-Jahren aber dürfte das Mysterienspiel noch groß in Mode gewesen sein. Vor allem Handwerker beteiligten sich. Das Handwerk erlebten in jener Zeit einen ersten Aufschwung; auch durch die gewaltige Baustelle in der Stadtmitte. Kurz darauf entstanden die ersten Zünfte in Neuss.

Die Männer übernahmen alle Rollen, auch die weiblichen. "In dieser bedeutenden Kirche, in dieser wichtigen Stadt mit ihrer Quirinus-Verehrung und dem regen Austausch über diverse Handelswege muss es große Mysterienspiele gegeben haben", sagt Thomas Ludewig.

Und so wird auch der Baum in der neuen Kirche gestanden haben. Es war noch nicht der Tannenbaum, sondern ein Baum vom 24. Dezember. Das war der Tag der Erinnerung an Adam und Eva, und der Baum der Erkenntnis mit den "schlechten" Früchten (malus, das Böse) wurde als Apfelbaum (malum, der Apfel) dargestellt.

Das Sinnbild des Sündenfalls wurde in der Nacht durch Christi Geburt überwunden. Der Apfelbaum entwickelte sich zum Bild des Christfestes - lange bevor er als apfel-kugel-geschmückter Weihnachtsbaum Einzug in die guten Stuben hielt.

Eine große, feierliche Angelegenheit war das Weihnachtsfest auch schon zu Zeiten des Quirinusbaus. Taglöhner und Adlige, Bauern und Handwerker werden in die große Kirche geströmt sein, dicht gedrängt gestanden haben, nach Ständen und Geschlechtern getrennt.

Vom Beschenken, vom gemeinsamen Singen war man noch weit entfernt. Gegessen aber hat man sicherlich reichlich. Denn nach den Weihnachtstagen wurde der Tisch wieder nur spärlich gedeckt. Bis zum 6. Januar, der Erscheinung des Herrn, war Fasten geboten.