Drogen-Kriminalität an der Neusser Stadthalle Weggeworfene Spritzen und Trinkgelage: Anwohner fühlen sich nicht mehr sicher
Neuss · Angst vor der kriminellen Szene, Wut auf die Polizei – wenige Lösungsansätze: Bei einer Sprechstunde der CDU an der Stadthalle wurden große Anwohner-Sorgen deutlich.
Wenn es noch einen haptischen Beweis gebraucht hätte, um die Drogenproblematik rund um die Stadthalle zu belegen, dann hätte ihn eine Anwohnerin am Dienstagnachmittag eindrucksvoll erbracht. Das Resultat eines nur knapp einstündigen Spaziergangs: Rund 20 eingesammelte Spritzen, angerauchte Joints und Konsum-Utensilien. Die prall gefüllte Plastik-Tüte platzierte sie am Stand der CDU, die an diesem Nachmittag mit Bürgern ins Gespräch kommen wollte, um die seit Jahren bestehenden Probleme in dem Bereich zu erörtern – und um mögliche Lösungen auszuloten.
Die Anwohner fühlen sich allein gelassen und zunehmend hilflos
Was dabei besonders deutlich wurde: Die Anwohner rund um die Stadthalle (auch aus anderen Bereichen wie dem Marienkirchplatz waren Menschen vertreten) fühlen sich allein gelassen und zunehmend hilflos. „Es ist unmöglich, dass es Zonen in der Stadt gibt, in denen man sich nicht aufhalten möchte“, machte eine Frau deutlich. Es fühle sich so an, als hätten die Behörden nichts entgegenzusetzen. Ein Mann, der direkten Blick auf die Haltestelle an der Stadthalle hat: „Ich bekomme die Probleme jeden Tag mit. Die Menschen sitzen bei uns vor dem Haus und sind voll bis unters Dach.“ Die benutzten Spritzen würden oft im Anschluss einfach wild entsorgt. Eine weitere Anwohnerin berichtete von nächtlichen Trinkgelagen, die ihr Sorgen bereiten, sie fühle sich nicht mehr sicher: „Abends geht vor dem Museum die Post ab“, betonte sie.
Wut war vor allem in Bezug auf die Polizei- und Ordnungsbehörden zu spüren. Tenor: Es wird zu wenig durchgegriffen, die Szene sei mittlerweile so organisiert, dass sie stets einen Schritt voraus sei und schnell flüchten könne, wenn sich ein Wagen der Polizei oder des Ordnungsamtes nähert. „Die Polizei sollte auch auf Zivilfahnder setzen“, forderte ein Anwohner.
Jüngst hatte die Polizei jedoch betont, dies bereits zu tun. So werde rund um die Stadthalle nicht nur im Zuge der Streife, sondern auch durch Sondereinsätze – sowohl durch uniformierte als auch zivile Polizeikräfte – kontrolliert. Man sei mehrfach täglich zu unterschiedlichen Zeiten präsent. Zudem werde der Bereich mehrfach pro Woche gemeinsam mit dem Kommunalen Service- und Ordnungsdienst (KSOD) der Stadt bestreift.
Auch die Stadt hat diverse Maßnahmen ergriffen, zum Beispiel entsprechenden Rückschnitt des öffentlichen Grüns vorgenommen, um Rückzugsmöglichkeiten und uneinsehbare Stellen zu reduzieren, aber auch, um die Möglichkeiten für Drogenverstecke zu minimieren. Einen nachhaltigen Effekt spüren die Betroffenen jedoch nicht. Ihre Beobachtung: Die Depots gibt es immer noch.
Als weiteres Problemfeld wurde die nur wenige Schritte entfernte Drogenberatungsstelle genannt, die aus Sicht einiger Anwohner eine gewisse Klientel anzöge. Ein Umzug der Einrichtung – und in diesem Zusammenhang auch die Errichtung eines Konsumraumes – ist allerdings bereits in der Prüfung. Die Verwaltung wird hierzu in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 3. März berichten.
Eine Lösung des Problems
ist nicht leicht zu finden
So erhitzt die Gemüter in Anbetracht der bestehenden Probleme auch sind, so kristallisierte sich ebenso heraus: Eine Lösung des Problems ist nicht leicht zu finden. Tenor: Eine Verdrängung der Szene würde lediglich zu einer Verlagerung führen. Eine oft diskutierte Video-Überwachung sei kostspielig und benötige Fachpersonal.
Anwohner Andreas Messollen, selbst langjähriger Polizeibeamter, sprach in Bezug auf eine mögliche Verdrängung vom „Wasserbett-Effekt“. Heißt: Wird der Druck an einer Stelle herausgenommen, erfolgt er an einer anderen. Sein Vorschlag: Der Bereich sollte mehr belebt werden, um die soziale Kontrolle zu erhöhen und der kriminellen Szene das Oberwasser zu entziehen. Gelingen könnte dies seiner Ansicht nach mit einer Mobilitätsstation, wo zum Beispiel Roller, E-Bikes oder Motorräder verliehen werden. Feststehe: Um die Probleme zu lösen, sei ein Balanceakt zwischen Repression und Prävention nötig.
Der CDU-Landtagsabgeordnete Jörg Geerlings formuliert nach der angeregten mobilen Sprechstunde zwei Hauptziele: „Es ist wichtig, dass wir Drogen von der Straße kriegen und klare Kante gegen die Dealer zeigen.“
Die Diskussion um einen Drogenkonsumraum müsse deshalb „ganz oben auf der Tagesordnung“ stehen. Die Forderungen nach mehr Präsenz von Polizei und Co. seien zwar nicht neu, „haben aber offensichtlich noch nicht ausgereicht“, so Geerlings, der deshalb Gespräche mit den Verantwortlichen führen möchte.