Neuss gibt in Hagen ersten Punkt ab

Handball-Drittligist spielt 29:29 und hatte dabei schon mit 20:25 zurückgelegen. Bayer Dormagen verliert vor Rekordkulisse.

Foto: NHV1/S. Seidel/M. Jäger

Rhein-Kreis. Der Westfale an sich liebt klare Worte. Und so drückte ein Zuschauer in der Arena am Ischeland die Erkenntnis dieses Drittliga-Spitzenspiels aus: „Wer vier Siebenmeter verwirft, der hat den Sieg auch nicht verdient.“

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Eine bittere Wahrheit aus Sicht des VfL Eintracht Hagen. Denn der Zweitliga-Absteiger war die bessere Mannschaft im Handball-Gipfeltreffen mit Tabellenführer Neusser HV, musste sich am Ende aber trotz einer Fünf-Tore-Führung (25:20, 45. Minute) mit einem 29:29 begnügen, weil seinen Routiniers in entscheidenden Momenten die Nerven versagten. Fünf Sekunden vor Schluss zum Beispiel, als der finale Pass von Sebastian Schneider ins Seitenaus trudelte — 30 Sekunden, nachdem Christopher Klasmann mit seinem neunten Treffer den Ausgleich für den NHV erzielt hatte.

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Noch mehr Nervenflattern zeigten die Hagener an der Siebenmeterlinie im Duell mit Vladimir Bozic: Je zwei Mal scheiterten Jens Reinarz und Pavel Prokopec. Und das in einer Phase, in der Hagen spielbestimmend war und durchaus höher hätte führen können als „nur“ mit fünf Toren. „Vladi hat uns da im Spiel gehalten“, gab NHV-Trainer Ceven Klatt zu und zeigte sich „heilfroh und glücklich, dass wir hier noch einen Punkt geholt haben.“ Zugleich bedeutete das Remis auch den ersten Punktverlust für die Neusser.

Der NHV-Trainer griff 14 Minuten vor dem Abpfiff zu einem taktischen Mittel, auf das die Hausherren vor 1430 Zuschauern keine Antwort fanden: Er ließ den eigens dafür eingewechselten Viktor Fütterer den jeweils im linken Rückraum auftauchenden Hagener Angreifer in Manndeckung nehmen. Auch die bis dahin ungewohnt löchrige Deckungsformation rückte nun einen Schritt vor. „Ich habe mir diese Deckungsvariante bis zum Schluss aufgehoben, weil ich wusste, dass die ohnehin etwas schwerfälligeren Hagener Spieler dann nicht mehr so flink auf den Beinen sein würden“, sagte Klatt.

Gut überlegt. Die Hausherren verlegten sich zwangsweise auf Standhandball. Ungenaue Würfe und Abspiele waren die Folge. Und der NHV kämpfte sich zurück ins Spiel, traf vorne sicher und kam zum Ausgleich. „Wir feiern jetzt erst einmal als Spitzenreiter Weihnachten“, sagte Klatt.

Bayer Dormagen hat derweil auch das nächste Spiel gegen ein Team aus der oberen Tabellenregion verloren. Vor 1668 Zuschauern — davon gut 400 aus Köln und insgesamt eine Rekordkulisse für die Dritte Liga West in dieser Saison — unterlag der TSV dem Longericher SC mit 21:25 (10:11).

Mit einer solchen Angriffsleistung, wie sie die Dormagener in den vergangenen beiden Partien aufs Parkett brachten, dürfte es schwer werden, am Saisonende unter den besten sechs Teams zu landen — von höheren Weihen gar nicht zu reden. 37 Tore zu erzielen, das schaffen andere Drittligisten in 60 Minuten. Dass die verlorene „Handballschlacht um Mittelrhein“ nicht in einem erneuten Debakel wie beim 16:28 gegen Neuss endete, lag allein daran, dass diesmal die Defensive leidlich funktionierte.

Die Dormagener spielten statisch, ideen- und vor allem emotionslos. Dabei ist es kein Zufall, dass die Angriffslust lahmt, seit Alexander Koke nach seiner Bauchmuskelverletzung wieder vom Trainer zum Spieler(-Trainer) geworden ist. 29,3 Tore im Schnitt erzielte der TSV in den ersten acht Saisonspielen, 24,5 sind es in den sieben seither.

Nun trifft Koke sicher nicht die Alleinschuld. Doch seine sechs Fehlwürfe zeigen, dass der 37-Jährige seinen Zenit als Spieler überschritten hat. Koke weiß das, er übt laufend Selbstkritik. Das Fatale: Wenn Koke spielt, schieben ihm seine Nebenleute ständig die Verantwortung zu. Die zu übernehmen, kann er aber nicht im Alleingang leisten, zumal, wenn er auch noch vom Spielfeld aus coachen soll. Die Saison wird am 14. Januar fortgesetzt.