Neuss: K.o.-Tropfen - Die Dunkelziffer der Opfer ist hoch

Diskussion: Roswitha Müller-Piepenkötter stellte ihre Kampagne „Lass’ Dich nicht K.o.-Tropfen“ in Neuss vor.

Neuss. Ein Cocktail und ein Glas Whiskey - soviel hatte Sarah Niemann (Name geändert) aus Dormagen vor einem Jahr in einer Düsseldorfer Discothek getrunken. Dann wurde sie ohnmächtig, erst im Krankenhaus, am Tropf liegend, kam die 22-Jährige wieder zu sich. Sarah Niemann hat Glück gehabt. Ihre Freude reagierten richtig und alarmierten den Notarzt. Die K.o.-Tropfen, die ihr vermutlich ins Glas geträufelt wurden, sind ihr nicht zum Verhängnis geworden.

Andere Frauen haben weniger Glück. Wie hoch die Zahl der Frauen ist, die erst mit K.o.-Tropfen betäubt und dann ausgeraubt oder sexuell missbraucht werden, ist unbekannt. Fakt ist, dass die Zahl der Straftaten in Zusammenhang mit unbekannten Substanzen in den vergangenen Jahren immer stärker zugenommen hat.

"Lass’ Dich nicht K.o.-Tropfen!" lautet der Titel einer Kampagne des Landes. NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter war daher auf Einladung der Malteser in Neuss zu Gast und sprach mit Kriminalhauptkommissarin Sabine Rosenthal-Aussem und Thorsten Hellwig vom Hotel- und Gaststättenverband über das Risiko der Tropfen.

"Die Opfer erinnern sich häufig nicht mehr und schieben diese Gedächtnislücke auf zuviel Alkohol", so die Ministerin. Oft sei auch Scham oder Unsicherheit der Grund, dass Opfer von K.o.-Tropfen nicht zur Polizei gehen. "In den letzten zwei bis drei Jahren gab es in Neuss zwei bis drei Verdachtsfälle", sagt Kriminalhauptkommissarin Rosenthal-Aussem. "Wenn der Verdacht besteht, sollten Betroffene schnellstens zur Polizei gehen. Nicht nur wegen der medizinischen Nachweisbarkeit, sondern auch, weil wir anhand eines Fragenkatalogs relativ sicher abschätzen können, ob zuviel Alkohol im Spiel war oder ob da doch mehr war", appellierte die Kriminalhauptkommissarin.

Dem kann Rechtsanwältin Helga Koenemann nur zustimmen. "So schnell wie möglich zur Polizei gehen, um Spuren zu sichern", rät sie Betroffenen. Dass viele Opfer nicht zur Polizei gehen, hängt ihrer Ansicht nach auch mit der geringen Verurteilungsquote von Tätern zusammen. "Je weniger sich nachweisen lässt, desto schwieriger ist es, den Fall vor Gericht zu bringen", weiß Koenemann.

Im Fall von Sarah Niemann blieb ebenfalls nicht mehr als ein Verdacht. Obwohl die Eltern die Ärzte damals darauf hinwiesen, dass die Tochter nur zwei Gläser Alkohol getrunken habe, hieß es, für eine Untersuchung sei es zu spät, die Mittel seien nicht mehr nachweisbar. Für die Mutter von Sarah Niemann ein Unding: "0,7 Promille wurden bei meiner Tochter festgestellt. Davon fällt man doch nicht ins Koma und liegt am Tropf."