Neuss möchte Behördendeutschauf ein Minimum reduzieren

Neuss. Die Mitarbeiterzeitung der Gemeinnützigen Werkstätten (GWN) macht es vor: Ihre Autoren ergänzen einen Teil der Artikel um eine Darstellung in so genannter Leichter Sprache, und Sozialdezernent Stefan Hahn gibt zu: „Die lese ich lieber.“ Weil sie knapp und auf den Punkt formuliert ist.

Das könnte man doch auch mit Broschüren, Ratsunterlagen oder Antragsformularen machen, die im Rathaus entstehen, meint deshalb Vincent Cziesla von der Partei „Die Linke“. Seinem Antrag, der „Leichten Sprache“ mehr Raum zu geben, stimmte der Rat schon zu. Morgen, wenn der Sozialausschuss tagt, soll es um die Frage gehen, was die Stadt dazu tun kann.

Schon vor dieser Debatte ist Linken-Chef Roland Sperling überzeugt: Stilblüten aus dem Behördendeutsch wie „Restmüllvolumenbehälterverwendung“, „Spontanvegetation“ (für Unkraut) oder die Bezeichnung von Pflanzkübeln als „ambulantes Grün“ wird mit der Einführung von „Leichter Sprache“ nicht beizukommen sein. „Wir sind ja selber auch nicht ganz frei davon“, sagt er mit Blick auf eigene Anträge. Hahn ist in diesem Punkt ebenfalls „nicht sehr optimistisch“. Aber die Verwaltung gibt zu: Die Aufarbeitung breiter Informationen in „Leichter Sprache“ wäre „zweifellos erforderlich“. Morgen stellt sie vor, wie sie vorgeht, um dazu ein Konzept zu erarbeiten.

Die Diskussion über „Leichte Sprache“ wird nicht zuletzt durch die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen angestoßen, die auch Menschen mit einer Behinderung die volle Teilhabe an allen Lebensbereichen ermöglichen soll. Das meint nicht nur den barrierefreien Zugang beispielsweise zu Gebäuden, sondern schließt den Zugang zu Informationen ein. „Leichte Sprache“ soll dazu beitragen. Mit kurzen Sätzen, einfachen Worten und — wenn möglich — auch mit Bildern und Grafiken.

Aber damit sind schon Grenzen dieser Darstellung angedeutet. „Dem Finanzamt wird es nie gelingen, einen Einkommenssteuerbescheid in ,Leichter Sprache’ zu formulieren“, sagt Hahn, der bei anderen Berufsgruppen mit eigenem Fachvokabular ähnliche Probleme sieht. Und für das Rathaus sieht er noch ein Problem: Bescheide der Stadt in „Leichter Sprache“ so zu fertigen, dass sie auch juristisch einwandfrei und unmissverständlich sind, sei, so Hahn, „sehr anspruchsvoll“.

So sieht er den Einsatz dieser Sprache vor allem bei Informationen, die, so wörtlich, „nicht rechtsgestaltende Akte sind“. Eine Baugenehmigung in „Leichter Sprache“ scheidet damit aus, pauschale Lösungen, so macht schon dieses Beispiel deutlich, werden zu diesem Thema nicht möglich sein. Zwei Broschüren hat die Verwaltung schon in „Leichter Sprache“ überarbeiten lassen: die Erläuterungen zum Sozialbericht und den Kriterienkatalog, der für die Zuerkennung des Signets „Neuss barrierefrei“ erarbeitet wurde.

Über die reine Verständlichkeit der Sprache hinaus wurde dabei auch auf Aspekte wie Schriftarten und Kontraste oder Anforderungen für Lesegeräte geachtet, damit Sehbehinderte oder blinde Menschen sich die Inhalte ebenfalls erschließen können. Dass die Stadt gute Lösungen gefunden hat, wurde ihr vom Beirat des Vereins Lebenshilfe Neuss bescheinigt. Texte gänzlich in „Leichte Sprache“ zu übersetzen, ist genauso möglich wie die Ergänzung von Texten und Darstellungen in diesem Duktus. Das werde allerdings nur nach und nach gehen, schränkt Hahn ein. Denn etwas in „Leichter Sprache“ zu formulieren, sei aufwendig — und ganz schön schwer.