Neuss: Picasso und sein Selbstverständnis

Eine Ausstellung mit Grafiken zeigt die Auseinandersetzung Picassos mit seinem Werk ab November im Clemens-Sels-Museum.

Neuss. Um das Meisterwerk geht es in Honoré de Balzacs Novelle "Le chef-d’ouvre inconnu", um den vollkommenen Frauenakt und den Künstler, der daran scheitert. Pablo Picasso hat die berühmte Novelle 1927 weniger illustriert als vielmehr kommentiert.

Das Thema der Auseinandersetzung und Selbsteinschätzung als permanent kreativer Künstler reizte ihn sichtbar. Ein ungebundenes Exemplar dieses Buches wird in der Ausstellung "Pablo Picasso - Kreativität und Schaffensdrang" zu sehen sein, die Kuratorin Uta Husmeier-Schirlitz derzeit für das Clemens-Sels-Museum erarbeitet.

Die Grafiken dieses Buches könnten exemplarisch für die groß angelegte, herausragende Schau stehen, die Mitte November eröffnet wird. Der Anspruch ist hoch. In etwa 100 Grafiken und in zahlreichen, teils noch nie gezeigten Fotos soll das künstlerische Selbstverständnis des Genies über seinen gesamten Schaffenszeitraum hinweg dargestellt werden. Das sei ein Novum, betont die Kuratorin.

Uta Husmeier-Schirlitz, die über Picassos Selbstbildnisse promoviert hat, ist sicher, dass das gelingen wird. Sie konnte Picassos Sohn Claude als Schirmherrn gewinnen, sie holte sich bei zahlreichen Bitten um Leihgaben im In- und Ausland kaum Absagen, sie warb erfolgreich um Drittmittel bei der Sparkassenstiftung, der Kunststiftung NRW, bei 3M und dem Freundeskreis des Museums. Anders wäre die Ausstellung nicht zustande gekommen, verschlingt sie doch soviel wie der gesamte Ausstellungsetat des Hauses in einem Jahr.

Zu sehen sei ab November "ein fantastisches Kaleidoskop", verspricht die Kuratorin. Denn die Auseinandersetzung mit seinem künstlerischen Selbstverständnis begleitet Picasso ein Leben lang.

Das beginnt mit einem Picasso, der sich in seinen Werken als vor Kraft strotzenden Künstler zeigt, es folgt die Reflexion, und viele Grafiken stehen für den Ausspruch des Künstlers "Es gibt nichts als die Kunst." Da erscheint seine Geliebte Marie-Thérèse als Modell, doch Picasso hat - auch in der Grafik - nur Augen für die Kunst. In den Werken der 50er Jahre setzt sich Picasso mit dem eigenen Altern auseinander, auch auf ironischer Ebene, ältere Modelle tauchen auf, Picasso karikiert den Voyeurismus.

Schließlich geht es verstärkt um das Mysterium Kreativität, um ihren Sog, wenn sich Picasso etwa selbst umgeben von kreisenden Bewegungen darstellt: in der Gefahr, sich zu verlieren.

Und zum Abschluss der Künstler mit Narrenkappe. Denn zum Narren macht er sich, wenn er das vollkommene Werk anstrebt, selbst Schöpfer werden will - siehe Balzac. Das in der Novelle 1837 beschriebene Atelier übrigens hat Picasso angemietet und dort "Guernica" geschaffen. Das 1931 in Paris erschienene Buch, als Leihgabe sofort zugesagt, ist mittlerweile im Besitz des Museums. Der private Sammler hat es dem Haus geschenkt.

Der Countdown zur Eröffnung läuft seit langem. Konzept der Hängung, Fertigstellung des Katalogs und einer Hörstation mit Zitaten über Picasso, Organisation des Begleitprogramms sind zu bewältigen. "Wir werden zeigen: Wir können das", sagt Uta Husmeier-Schirlitz. Und: "Man wird Picasso spüren."