Frau Braun, woran liegt es, dass es in der frühkindlichen Erziehung an Fachkräften mangelt?
Interview mit Daniela Braun Kreativität als Schlüssel im Kita-Alltag
Interview | Neuss · Das Familienforum Edith Stein widmet dem Thema Kreativität und wie sie in Kitas hilft, einen Thementag.
Die Not ist groß in den Kindertagesstätten: Es mangelt an Fachkräften und der Bedarf an Ganztagsbetreuung sorgt noch für zusätzlichen Druck. Kreativität sei kein Allheilmittel, sie helfe aber im Berufsleben, Herausforderungen zu bestehen, sagt die Sozialpädagogin, Erziehungswissenschaftlerin und bildende Künstlerin Daniela Braun, die am Mittwoch (5.) beim Fachtag das erste Wort haben wird.
Daniela Braun: Zum einen ist die Anerkennung ausländischer Abschlüsse nach wie vor mit zu hohen bürokratischen Hürden verbunden, zum anderen wird eine extrem hohe Anforderung an die sprachliche Kompetenz der Fachkräfte gestellt.
Ist das noch zeitgemäß und zielführend?
Braun: Nein, denn unsere Gesellschaft wird auch sprachlich immer diverser, so dass multilinguale Einrichtungen die Zukunft sein werden.
Wie definieren Sie Kreativität?
Braun: Es gibt zwei Dimensionen. Zum einen die schöpferische, gestalterische und ästhetische, zum anderen die pragmatische Dimension, die bei Problemlösungen hilft. Und um diese geht es im Kita-Alltag an drei Posten.
Die da wären?
Braun: Zunächst geht es um die Kreativität im System: Wie flexibel sind die Politik, die Gesetzgebung oder die Träger der Kitas? Hier ist es wichtig, dass alle Player an einem Strang ziehen, damit die Kita mehr Spielraum bekommt.
Und die zweite Stelle?
Braun: Die liegt im Team selber. Um vor allem junge Fachkräfte anzulocken, muss man sich den gesellschaftlichen Bedingungen anpassen. Also zum Beispiel die Vier-Tage-Woche als Option anbieten. Dabei sollte man im Hinterkopf behalten, dass die Kita auf dem Land etwas anderes braucht, als die in der Großstadt.
Aber was genau meinen sie dann mit Kreativität im Team?
Braun: Wechseln Sie mal die Perspektive. Man darf den Kita-Alltag neu denken: Muss das Laternen basteln gemeinsam mit den Fachkräften stattfinden oder geht das als Angebot für die Eltern an einem Samstagmittag? Traditionen sind wichtig, aber das starre Festhalten am Jahreslauf ist nicht mehr zeitgemäß. Das Spielen alleine und mit anderen Kindern, die Vermittlung von Naturerlebnissen oder technischen Themen sollte in den Vordergrund rücken. Ebenso sind geschlossene Gruppen vielleicht nicht mehr das Mittel der Wahl. Ganz wichtig ist aber, dass an der Qualität von Bildung und Erziehung nicht zu rütteln ist – im Mittelpunkt steht nach wie vor die Kinder-Erzieherin-Interaktion, die menschliche Dimension also. Und das ist die dritte Stelle, an der Kreativität gefragt ist.
Worum geht es dabei genau?
Braun: Es geht um die direkte Zusammenarbeit mit dem Kind. Lassen Sie es erkunden, erforschen, erfinden – im freien Spiel und selbsttätig. Gerade wenn der Alltag wenig Zeit für die direkte Interaktion lässt, setzen Sie kluge Impulse, um das Spiel der Kinder neu anzuregen, stellen sie immer wieder neues Material zur Verfügung, triggern sie die Selbstlernprozesse und hören Sie zu und staunen Sie über das, was das Kind erlebt und entdeckt hat.
Wie profitieren Erzieherinnen und Erzieher davon?
Braun: Der Perspektivwechsel führt zu einer Entlastung und man kommt raus aus dem Nebel negativer Stimmungen, die den Blick auf positive Möglichkeiten verstellen. Es geht um eine lebens- und aufgabenbejahende Haltung und die ist auch gut für die Selbstfürsorge der Fachkräfte.
Und die Kinder?
Braun: Die erlangen eine immense Lebensgestaltungskompetenz, wenn sie früh lernen, dass sie selbsttätig Probleme lösen können.