Neuss: Träumeund die Kraft der Musik

Die neue Intendantin am RLT, Bettina Jahnke, riskiert mit ihrer Inszenierung wenig und erreicht viel.

Neuss. Der Held stirbt. Er hat sich der Gemeinschaft geopfert. Sein Tod und ihr Triumph fallen zusammen. Das ist doch religiös angehauchter Kitsch - oder nicht? "Wie im Himmel" heißt nicht von ungefähr der schwedische Erfolgsfilm von Kay Pollak aus dem Jahr 2005.

In einer Spielfassung von Regisseurin Bettina Jahnke, der neuen Intendantin des Rheinischen Landestheaters, und Dramaturgin Barbara Noth feierte der Stoff jetzt im Schauspielhaus zum Saisonauftakt Premiere.

Der Erfolg hat den Dirigenten Daniel Daréus (Kaspar Küppers) in die Katastrophe getrieben. Von einem Zusammenbruch will er sich in dörflicher Abgeschiedenheit kurieren. Doch er wird wieder zum Einsteigen gezwungen, er soll den Kirchenchor leiten. Und natürlich verzaubert der Profi die Laien nicht nur musikalisch, sondern lehrt sie über das richtige Atmen auch wieder, ihren Träumen nahe zu kommen. "Träumen!" lautet ja auch Jahnkes erstes Spielzeitmotto.

Mit einem Monolog beginnt der Abend im schlicht-funktionalen Bühnenbild von Ivonne Theodora Storm etwas zäh. "Die Musik ist mir abhanden gekommen", lamentiert Daréus, aber für seine Zweifel hat die Inszenierung sonst wenig Raum. Mit naivem Staunen, das man einem realen Erfolgsmenschen nicht abnehmen würde, lässt Küppers seinen Daréus die Musik wiederentdecken.

Die Musik sei immer schon da, erklärt er seinem Chor, man müsse nur zuhören. Die Musik vertritt hier zweifellos das Wunder der Schöpfung. Die Teilnahme daran darf den Menschen natürlich nicht zu Kopfe steigen, dafür gibt’s die Kirche und die Erfindung der Erbsünde. Dörflicher Sachwalter in diesen Dingen ist Pfarrer Stig (Stefan Diekmann), Daréus’ Gegenspieler.

Schauspielerisch gehört Diekmann der größte Moment des Abends. Wenn er in einem kurzen Monolog seinen Neid hinter der ansonsten beherrschten Fassade hervorbrechen lässt, dann ist die Inszenierung für einen Moment nicht eindimensional.

Ansonsten herrscht Glückseligkeit. Gabriella (Katharina Dalichau) verlässt ihren prügelnden Mann (Stefan Schleue), weil sie sich das Singen nicht verbieten lassen will. Der behinderte Tore (Michael Großschädl) wird über das Singen integriert, "Schlampe" Lena (Melanie Vollmer) lernt, der Liebe zu vertrauen, und so weiter.

Im Film werden Daréus’ Sterben und der Erfolg des Chors bei einem Festival dramatisch in einer Parallelmontage verschränkt. In der Inszenierung Bettina Jahnkes stirbt Daréus auf der Seitenbühne, das Zentrum aber gehört dem durch den Münsterchor verstärkten Ensemble.

Der Kraft der Musik gehört aber nicht nur der Schlusspunkt. Wenn auf der Bühne gesungen wird - zunächst zaghaft, dann immer freier - sammelt die Inszenierung viele Sympathiepunkte. So erreicht Jahnke mit wenig Risiko viel, das Premierenpublikum ließ sich zu stehenden Ovationen hinreißen.