Neuss: Was Wahlplakate aussagen sollen

Werbefachmann Wilfried Korfmacher hat die Plakate von CDU, SPD und Grünen genaustens analysiert.

Foto: Andreas Woitschützke

Neuss. Etwa 2000 Wahlplakate bereichern seit einer Woche das Erscheinungsbild in Neuss. Nicht immer sind die Parteien und Agenturen stilsicher bei geklebter Wahlwerbung. In Neuss aber sei diesmal kein grober Ausrutscher zu beobachten, sagt der Diplom-Designer und -Psychologe Professor Wilfried Korfmacher. „Die Fotos sind in Ordnung, wenn auch nicht große Kunst. Die Plakate sind okay, die Kandidaten kommen sympathisch rüber.“ Einige kritische Punkte sieht er aber doch.

Foto: Andreas Woitschützke

Thomas Nickel hat drei Motive für die Großflächenplakate und drei für die klassischen Wahlplakate. Bei ihm steht deutlich das Porträt im Vordergrund, dann die Schrift, dann die Farbe — und nur klein oben in der Ecke taucht die Partei auf. „Die Personenwahl ist völlig entkoppelt von der Partei“, sagt Werbeexperte Wilfried Korfmacher. „Auf manchen Motiven kommt er wie ein lieber Opa herüber und wird auch so präsentiert.“ Neben dem Parteilogo findet sich einzig die Farbe „orange“ als Erkennungsmerkmal der Union wieder. Darunter steht der Slogan: „Neusser Bürgermeister!“ Korfmacher: „Nickel stellt sich so vor, als wäre er es schon.“

Foto: Andreas Woitschützke

Bei Nickel findet sich am unteren Rand besonders der Hinweis auf die Internetseite, daneben das Facebook-Logo und zwei Symbole, die wohl E-Mail und World Wide Web verkörpern sollen. „Das braucht man alles nicht. Wer auf die Internetseite des Kandidaten will, geht über die Suchmaschine“, sagt Korfmacher. „In diesem Fall dienen die Elemente als visuelle Versatzstücke, die signalisieren: Der Mann kennt das Internet.“ Kein Neuland also.

Foto: Andreas Woitschützke

Reiner Breuer spielt auf seinen unterschiedlichen Wahlplakaten sehr munter mit den Farben. Hier blau, dort grün, dort orange. Und das ist für Korfmacher durchaus ein Problem. „Farbe spielt als Signal im Corporate Design die zentrale Rolle — wie bei der Telekom“, sagt Korfmacher. „Mit der kunterbunten Multikulti-Kampagne greift der SPD-Kandidat auf Farben der Grünen und der CDU zurück. Beim flüchtigen Blick kann das verwirren oder sogar die falsche Botschaft sein.“

Die Ansprache „Ihr Neusser Bürgermeister“ unterscheidet Breuer von Nickel. „Der SPD-Kandidat geht mehr auf die Bürger zu — wie bei einem Hausbesuch, er stellt sich vor“, sagt Korfmacher. Dazu spielt Breuer mit mehreren Schlagzeilen: „Neuss bewegen“, „Neuss fühlen“, und „Neuss leben“. „Das sind banale Aussagen, und das ist bedenklich“, sagt Korfmacher. Mit „Neuss bewegen“ werde zwar Dynamik dargestellt, aber auch Kritik geäußert — die Stadt bewege sich bisher eben nicht. Die beiden anderen Schlagzeilen und Motive funktionieren anders: „Sie zeigen Breuer im Dialog mit dem Bürger und inszenieren ihn als Kandidat für alle“, sagt Korfmacher. „Man versucht eben, mit Emotion Stimmung zu machen, nicht nur mit Meinung.“ Breuer verzichtet auf Online-Verweise und QR-Codes. „Wer so etwas aufs Plakat druckt, will zeigen: Ich bin modern, beweist aber das Gegenteil.“

Bei Kandidatin Susanne Benary-Höck spielt die Nähe zur Partei die größte Rolle, allein wegen der Farbgebung und der Größe des Logos. Ihre Botschaft lautet „Frau tut Neuss gut!“ Korfmacher: „Die Grünen zeigen damit, dass eine Frau aufgestellt wird, die Differenz ihres Parteiprogramms im Vergleich zu den anderen.“ Was ihm fehlt, ist ein Hinweis zur Bürgermeisterwahl oder zum Wahldatum. „Es gibt keinen Bezug: Ich will Bürgermeisterin werden. Das ist ein handwerklicher Fehler. Damit sagen sie fast: Wir wollen gar nicht gewählt werden“, bemängelt Korfmacher. Er liest aus dem Grünen-Plakat eine andere Botschaft: „Die Partei zeigt, sie ist da und macht Werbung für sich im öffentlichen Raum.“ Den größten Fehler im Wahlkampf begehe eine andere Partei: „Die FDP — sie fehlt ganz.“