Erwartungen und Befürchtung der Parteien vor der Europawahl 2024 Im Rhein-Kreis Neuss für Europa – 338.636 Menschen haben die Wahl

Rhein-Kreis · An diesem Samstag geben die Wahlkämpfer der Parteien noch einmal alles, dann bleibt ihnen nur noch gespanntes Warten: Wie werden die Wähler in Europa und im Rhein-Kreis Neuss am Sonntag entscheiden? Erwartungen und Befürchtungen vor der Europawahl.

34 Parteien und politische Vereinigungen stehen auf dem Stimmzettel zur Europawahl am 9. Juni 2024.

Foto: Andreas Gruhn/Carsten Pfarr

Nur 15,8 Prozent für die SPD bundesweit, im Rhein-Kreis 16,3 Prozent, da war endgültig Schluss mit lustig bei den Sozialdemokraten in Neuss: „Berlin, wir müssen reden!“ lautete noch am Wahlabend die Botschaft der Basis nach einem Verlust von bundesweit minus 11,5 Prozent. Das war bei der Europawahl 2019. Fünf Jahre später liegt die SPD in Umfragen kurz vor der Europawahl zwischen 14 und 15 Prozent. Das wären im direkten Vergleich keine hohen Verluste – viel tiefer kann man allerdings auch kaum noch fallen.

Weitaus mehr Federn lassen werden, bewahrheiten sich die Umfragen, wohl die Grünen: 2019 war ihre Wahl. Nach der CDU zweitstärkste Kraft, bundesweit und auch im Rhein-Kreis, jeweils mit großem Anstand zur SPD auf Platz drei. Fünf Jahre später kämpfen SPD und Grüne Kopf-an-Kopf mit der AfD um die Plätze zwei und drei nach den Christdemokraten, die um die 30 Prozent erwarten dürfen. FDP und Linke könnten sich, gemessen an Umfragen, bundesweit hinter dem Bündnis Sahra Wagenknecht einsortieren müssen.

Kurz vor dem Urnengang am Sonntag macht SPD-Kreisvorsitzender Daniel Rinkert MdB sich und seinen Parteifreunden Mut: „Die Stimmung ist besser als die Umfragewerte.“ Die SPD habe vor einer Europawahl noch nie so intensiv Wahlkampf gemacht. Das Thema Nummer eins: Krieg und Frieden. „Und zwar mit großem Abstand“, sagt Rinkert. Bei aller Kritik an der Ampel-Koalition in Berlin sei an Wahlständen und auf Veranstaltungen deutlich zu spüren gewesen, dass die Menschen die Besonnenheit, mit der Kanzler Olaf Scholz mit Blick auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine agiere, honorierten.

Auch CDU-Kreisvorsitzender Ansgar Heveling MdB betont das Engagement im Europawahlkampf: „Wir setzen auf ein besseres Ergebnis als bei der Europawahl 2019 und hoffen natürlich auch, dass sich das im Rhein-Kreis widerspiegelt.“ Geht die Rechnung auf, bedeute das, so Heveling, auch Rückenwind für die CDU bei den kommenden Wahlen in den Kommunen und im Bund. „Die Unzufriedenheit mit der Bundespolitik und den sie tragenden Parteien war im Wahlkampf deutlich zu spüren“, sagt der Korschenbroicher.

Rinkert hingegen sieht wenig Konsequenzen für andere Wahlen: „Wahlkämpfe werden in den letzten sechs Wochen vor der Wahl entschieden.“ Rückschlüsse etwa auf die Bundestagswahl 2015 und den zwischen ihm und Hermann Gröhe (CDU), 2021 Sieger im Wahlkreis Neuss, Grevenbroich, Dormagen und Rommerskirchen, heiß umkämpften Sitz im Bundestag, seien aus der Europawahl nicht zu ziehen.

Welche Rolle spielt
das Klima-Thema noch?

Darauf setzt auch Birgit Wollbold, Co-Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Rhein-Kreis. Mit Blick auf die Europawahl, so räumt sie ein, sehe es so aus, als könnten die Grünen ihr Wählerpotenzial nicht ausschöpfen. 2019 habe es für das Klima-Thema maximale, auch mediale Aufmerksamkeit gegeben – mit entsprechend positiven Effekten für die Grünen. Wichtig bleibe das Klima-Thema trotzdem, gerade auch vor dem Hintergrund der Konsequenzen des Krieges gegen die Ukraine. „Die Grünen stehen für den Green Deal, für die Reduktion von CO2-Emissionen, aber auch für die Vereinbarkeit von Wirtschaftswachstum und ökologischer Verantwortung.“ Das, so Wollbold, werde auch ein Kernpunkt des Programms der Grünen für die Kommunalwahl 2025 sein. Mit großer Sorge blickt die Co-Sprecherin der Kreis-Grünen auf das Erstarken rechter Parteien europaweit. „Die Wähler haben Angst vor einem Rechtsruck“, sagt sie. Das sei im Wahlkampf deutlich zu spüren gewesen. Auch vor diesem Hintergrund müssten Wähler für sich prüfen, ob Stimmen für Kleinst- und Splitterparteien wirklich Sinn machten.

„Die Welt heute ist eine andere als vor fünf Jahren“, sagt FDP-Kreisvorsitzender und Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Der Krieg in der Ukraine, aber ebenso die Innere Sicherheit und Fragen der Migration sorgten für Verunsicherung und Ängste: „Das ist eine ganz andere Fokussierung als 2019 mit dem starken Blick auf die Klima-Thematik“, sagt der Bundestagsabgeordnete. Ein Ziel in Zahlen will der Grevenbroicher nicht nennen: „Ich gehe davon aus, dass wir in etwa wie vor fünf Jahren abschneiden.“

Im Rhein-Kreis dürfen am Sonntag 338 636 Menschen bei der Europawahl ihre Stimme abgeben, darunter erstmals auch die 16- und 17-Jährigen. Landrat Hans-Jürgen Petrauschke ruft als Kreiswahlleiter dazu auf, vom Wahlrecht auch Gebrauch zu machen: „Die Europawahl ist unsere Gelegenheit, uns klar zu Europa und zur Demokratie zu bekennen. Für unsere europäischen Werte und unseren Zusammenhalt gilt es, bei der Europawahl geschlossen Flagge zu zeigen und für unsere Demokratie und die Errungenschaften der EU einzustehen.“

Die Menschen in der EU lebten in einem Europa ohne Grenzen und mit einer gemeinsamen Währung. Europa werde auch in Zukunft gebraucht, um Wohlstand zu sichern und gemeinsame Antworten auf Herausforderungen wie Sicherheit, Klimawandel und Globalisierung zu finden.