St. Alexius: Motivation durch Integration
Ein Wohnheim für psychisch behinderte Menschen wird an der Schlossstraße gebaut.
Grevenbroich/Neuss. Nicht etwa ein halbes Jahrhundert ist es her: Der Sturm der Entrüstung fegte den Verantwortlichen vor sechs Wochen ins Gesicht. Auf einer Informationsveranstaltung in Krefeld empörten sich Anwohner über die Pläne der St. Augustinus-Kliniken, ein Wohnheim für Menschen mit psychischen Behinderungen bauen zu wollen. Ein fast identisches Heim in derselben Größenordnung baut der Wohnverbund St. Alexius, ebenfalls eine Einrichtung der St. Augustinus-Kliniken, jetzt auch in Grevenbroich (siehe Kasten). Zu einem "Dialog auf Augenhöhe" hatten deshalb die Klinikleitung und die St. Augustinus-Behindertenhilfe in das Martinus-Haus an der Kölner Straße in Neuss eingeladen. Dort leben bereits seit fast zehn Jahren Menschen mit psychischen Erkrankungen Zaun an Zaun mit der Nachbarschaft. Vor fünf Jahren zogen zu den acht Betroffenen weitere 16 in einen Neubau ein. "Ich bin heilfroh, dass das so gekommen ist", erklärt Herbert Paulussen, bei dem zuvor "natürlich zuerst eine Ungewissheit" vorhanden gewesen sei. "Das ist ja hier das direkte Gartengrundstück neben uns." Vor dem Bau des Wohnheims seien elf Einfamilienhäuser geplant gewesen, nun habe er ganz ruhige Nachbarn, die immer ihr Grundstück pflegten. Auch Beatrix Schiller fühlt sich in direkter Nähe des Wohnheims wohl: "Wir haben sehr angenehme Nachbarn." Allerdings räumt Herbert Paulussen ein: "Ich hatte auch keine Berührungsängste." Dass diese allerdings völlig unbegründet sind, erläutert Heimleiter Stephan Könen. "Hier leben Menschen, die haben noch vor zehn Jahren eine ganz normale Lebenshistorie gehabt." Und dann hätten sie plötzlich völlig den Halt verloren - durch den Verlust eines Menschen oder Arbeitslosigkeit. Ein Prozent aller Menschen, so ergänzt er, könnten jederzeit durch bestimmte Schlüsselereignisse in ein schwarzes Loch fallen - und erlebten von jetzt auf gleich höllische Ängste. "Früher wurden diese Menschen konzentriert in Krankenhäusern untergebracht", schildert Paul Neuhäuser, Geschäftsführer der St. Augustinus-Kliniken das Schicksal von schwer Depressiven oder unter Verfolgungswahn Leidenden in geschlossenen Anstalten. Auch dann noch, wenn sie längst in der chronischen Phase waren. "20 bis 30 Prozent behalten nach ihrer akuten psychischen Erkrankung mehr oder weniger starke Symptome", erläutert Wilfried Gaul, Geschäftsbereichsleiter der Augustinus-Behindertenhilfe. Und genau um diese Menschen geht es.