Von Norf nach Auschwitz
Schulprojekt: Geschwister-Scholl-Schüler trafen KZ-Überlebende Zofia Lys wieder.
Neuss. "Auf Bildern sieht man nicht die Kraft des Verbrechens", sagt Jan Schlösser, 13Jahre alt und Schüler der Geschwister-Scholl-Hauptschule in Norf. "Die Stimmung bei uns war sehr gedrückt", pflichtet ihm auch seine Mitschülerin Gülbahar Korkmaz (14) bei. Die Schüler der 8a berichten vom Besuch der Gedenkstätte Auschwitz während ihrer Reise nach Warschau.
Die Reise fand auf Initiative ihres Klassenlehrers, Günter Simon (61) statt. Auf einer deutsch-polnischen Lehrerfortbildung war ihm die Idee einer Schulpartnerschaft gekommen. Nun gibt es die Verbindung zu einer Wirtschaftfachschule in Warschau mit Sitz auf dem Gelände des früheren Ghettos.
Ein halbes Jahr lang hatten sich die Schüler intensiv mit dem Nationalsozialismus beschäftigt und im Stadtarchiv die lokalen Spuren jener Zeit erkundet. Nachhaltigen Eindruck hinterließ der Besuch der Auschwitz-Überlebenden Zofia Lys an ihrer Schule. Am 9.November gestalteten zwei Schüler die städtische Gedenkfeier zur Erinnerung an die Pogromnacht an der Promenadenstraße mit.
Unmittelbar danach machten sich die Jugendlichen auf nach Warschau. Auch dort wollten sie sich mit dem Thema Nationalsozialismus befassen, aber auch in Hinblick auf die EU-Mitgliedschaft Polens, in die Zukunft schauen. So besichtigten die Neusser die Schauplätze des Ghetto-Aufstands und entwickelten einen Fragebogen, in dem sie Passanten nach ihren Erfahrungen seit dem EU-Beitritt befragten. "Das ganze war sehr lustig" erinnert sich Jan Schlösser, "wir mussten uns mit Händen und Füßen verständigen."
"Einige Polen konnten ein bisschen Deutsch, andere ein wenig Englisch", erläutert Nalan Öncel. Um selbst Passanten befragen zu können, hatten sich die Neusser Schüler die Fragen in Lautschrift aufgeschrieben.
Dann ging es nach Auschwitz, wo die Schüler Zofia Lys wiedertrafen. Nach ihrem Bericht in Neuss zeigte sie den jungen Besuchern nun, in welcher Baracke sie mit anderen zusammengepfercht geschlafen hatte und erzählte nochmals, welche erniedrigenden Arbeiten sie verrichten musste. Bedrückt kehrten die Schüler von diesem Ausflug zurück.
Der Schulleiter der Norfer Hauptschule, Wilhelm Handke, war zu Beginn des Projektes "wegen des doch sehr sensiblen Themas" eher skeptisch, wie er bekundet. Auch hatte er Bedenken, ob die größtenteils moslemischen Eltern ihren Kindern, vor allem den Mädchen, die Reise gestatten würden. "Um so überraschter war ich dann von der positiven Resonanz".
Um die Finanzierung - die Reise kostete etwa 8000Euro - kümmerte sich Klassenlehrer Simon und kontaktierte zahlreiche Stiftungen. Doch der Aufwand hat sich gelohnt. "Die Schüler haben das angedachte Ziel weit übertroffen", sagt er mit Stolz und fügt hinzu: "Ohne die gute Arbeit der Schüler hätte das Projekt nicht funktioniert".
"Der Abschied am Flughafen ist uns ganz schön schwer gefallen", sagt Gülbahar Korkmaz in der Rückschau. Doch die Schüler haben sich fest vorgenommen, die Kontakte weiterzupflegen - über Facebook.