WZ-Interview: Die Stadtquartiere neu beleben

Bauverein-Chef Frank Lubig über neue Herausforderungen und das sozialpolitische Engagement.

WZ: Herr Lubig, bei der Vorstellung Ihrer - überaus erfolgreichen - Jahresbilanz 2010 haben Sie erklärt: "Wir müssen im Sozialen aufrüsten." Warum?

Lubig: Auch für Neuss gilt: Die Stadt wird älter, bunter, ärmer. Es gibt geänderte Wohngewohnheiten. Die Frage ist doch: Wie schaffen wir es, dass die Menschen nicht isoliert leben? Wie fördern wir Integration? Wie beleben wir Stadtquartiere neu? Das sind Aufgaben, die immer wichtiger werden. Dem stellen wir uns.

WZ: Nennen Sie doch ein Beispiel.

Lubig: Da ist unser großes Neubaugebiet an der Südlichen Furth. Unser "Treff20" wird wirklich als Quartiertreff genutzt. Wir schaffen die Voraussetzungen, und jetzt schaffen die Bewohner Angebote in Eigeninitiative. Ein interkulturelles Frühstück, zum Beispiel. Oder eine Hausaufgabenhilfe. Ähnliches bieten wir auch in unserem Quartier am Marienkirchplatz an. Mit unserem Sozialpartner vor Ort planen wir weitere Angebote wie zum Beispiel in Erfttal und am Kotthauser Weg.

WZ: Der Bauverein ist vor allem eine städtische Gesellschaft, die preiswerten Wohnraum vorhält. Richtig?

Lubig: Ja. Laut Satzung stellen wir sozial sicheren, bezahlbaren Wohnraum für breite Schichten. Das wird auch in Zukunft so sein, der Bedarf ist groß. Doch in den vergangenen Jahren wird die zweite Achse, das sozialpolitische Engagement, immer wichtiger.

WZ: Und das ist durch die Mieteinnahmen zu finanzieren?

Lubig: Zunächst können wir uns auf unseren großen Bestand stützen. 800 Häuser und 7.000 Wohnungen, davon sind 40 Prozent frei finanziert. Aber es ist natürlich richtig, davon ist unser sozialpolitisches Engagement nicht zu bezahlen. Das gilt im übrigen auch für aufwändige städtebauliche Entwicklungen wie am Marienkirchplatz, wo wir hochwertig gebaut, ein Quartier wiederbelebt und dennoch preiswerten Wohnraum angeboten haben. Das hätte kein privater Investor gemacht. Zur Finanzierung solcher Maßnahmen brauchen wir die Bauträgergeschäfte.

WZ: Als Zusatzgeschäft?

Lubig: Das ist für uns lebensnotwendig. Nur so können wir soziale Herausforderungen meistern und städtebaulich Anspruchsvolles bieten. Das Marianum ist in den nächsten Jahren entscheidend für unser wirtschaftliches Ergebnis.

WZ: Das heißt vereinfacht: Wir entwickeln und verkaufen Grundstücke am Marianum, damit in Erfttal ein Stadtteil stabilisiert werden kann?

Lubig: Ja, das stimmt schon. In Erfttal übrigens haben wir für den Abriss der alten Bebauung und die sozialverträgliche Umsetzung unserer Mieter rund 6Millionen Euro bezahlt. Das bekommen wir nach Fertigstellung der Neubauten nicht so schnell wieder rein.

WZ: Finden Sie denn ausreichend Betätigungsfelder für die Bauträgergeschäfte? Sie dürfen nach Maßgabe der Politik ja nur in Neuss tätig werden. Und bei der lukrativen Bebauung des Münsterschulgeländes waren Sie im Wettbewerb unterlegen.

Lubig: Nein, wir haben nicht genügend Betätigungsfelder, und wir suchen händeringend nach geeigneten Grundstücken, auch nach großen. Schade, das mit der Münsterschule. Das hätten wir gern gemacht.

WZ: Welche Projekte stehen denn nun an?

Lubig: Wir sprechen mit dem Land über das Grundstück des Finanzamts an der Schillerstraße. Das ist ein exzellenter Standort für Wohnungsbau. Und wir haben auch Interesse an dem Alexianer-Gelände. Da sind wir allerdings noch in einer sehr frühen Phase.

WZ: Die Bauträgergeschäfte werden manchmal aus der Politik misstrauisch beobachtet. Ist das nicht nachvollziehbar?

Lubig: Nein! Die Politik kann nicht verlangen, dass wir städtebaulich hervorragend arbeiten, dass wir sozialpolitisch aktiv sein müssen und uns dann untersagen, Geld zu verdienen. Das schließt sich einfach aus.