Englisches Theater in Kaiserswerth Altes Drama auf den Kopf gestellt
Das English Theatre Düsseldorf spielt an drei Nachmittagen und zehn Abenden „Shakespeare am Rhein – Romeo & Juliet” in der Kaiserpfalz-Ruine in Kaiserswerth. Ein Besuch bei den Proben.
Romeo hat ein orangefarbenes Band um die Haare geschlungen und ist unverkennbar eine junge Frau. Genau wie Hitzkopf Mercutio mit den wilden blonden Locken. Die Amme dagegen: ein Mann. Bei „Shakespeare am Rhein – Romeo & Juliet“ wird so manches auf den Kopf gestellt. Die Inszenierung von Michael Schäfer verspricht ein saftiges Spektakel zu werden. Mit den Open-Air-Aufführungen in der Kaiserpfalz-Ruine von Kaiserswerth erfüllt sich das English Theatre Düsseldorf einen lang gehegten Traum. Schon 2020 wollten die Leiterinnen Rosie Thorpe und Ilya Parenteau ihn verwirklichen. Corona hat ihn damals vereitelt, vergessen wurde er nicht.
Dem im Frühjahr neu geformten Ensemble gehören Schauspieler und Schauspielerinnen aus Großbritannien, der Ukraine, Deutschland und den USA an. Voller Lust und Leidenschaft stürzten sie sich in das Freiluft-Abenteuer. Ihr mächtiger Verbündeter ist die beeindruckende Kulisse aus Mauerresten und Rundbögen. Sie liefert zudem wie beiläufig einen natürlichen Balkon für die wohl berühmteste Szene der Shakespeare-Tragödie und passt mit ihrer Morbidität exakt in das Regiekonzept.
Liebesgeschichte spielt
sich in Kriegsgebiet ab
„Die romantische Liebesgeschichte allein hätte mich nicht so interessiert“, sagt Michael Schäfer: „Wir blicken aus anderer Perspektive auf das Stück, denken an Beirut, Bosnien, Mariupol. Die Liste ist lang.“ Bei ihm spielt sich die Liebesgeschichte in einem Kriegsgebiet ab. Entsprechend sind auch die Kostüme bunt zusammengewürfelt: „Man zieht an, was man gerade findet und was die Notlage hergibt.“ Bühnenbildnerin Miriam Möller-Wieland fühlte sich in der Ruine mit ihren dunklen Löchern an die ausgebombten, verbrannten Gebäude in der Ukraine erinnert, die uns gerade so bewegen. Sie könnten auch als Symbol für den Niedergang der edlen Gesellschaft in „Romeo und Julia“ stehen, die ihren Abrutsch zu überspielen versucht und ihr altes Leben zurückhaben will. Das abgetakelte Mobiliar, das Miriam Möller-Wieland zusammentrug, sollte in der Inszenierung benutzt werden und nicht nur als Staffage dienen.
Als gerade eine Szene geprobt wird, in der alle durcheinander stürmen, sich streiten, kämpfen und am Boden liegen, spaziert ein Grüppchen Ausflügler quer über die Naturbühne und bleibt verdutzt stehen. Bis kurz vor der Premiere am 11. Juni ist der kleine Park jedermann zugänglich und wird als Weg vom Rhein in den Ort genutzt. Die Schauspieler unterbrechen kurz und erklären seelenruhig, was hier gespielt wird. „Open Air ist eben in jeder Hinsicht etwas ganz Spezielles“, sagt Regisseur Schäfer, „stimmlich, atmosphärisch, energetisch. Erst recht in dieser Hammerkulisse. Hier musst du dich an die Wucht der Mauern gewöhnen und diesen riesigen Raum gefüllt kriegen, bis in die letzte Reihe der Zuschauer-Tribüne.“ Die Arbeit mit dem internationalen Ensemble sei spannend: „Alle bringen andere Erfahrungen und Gewohnheiten mit, die zusammengeführt werden mussten. Für mich ist die Herausforderung groß, nicht in meiner Muttersprache zu inszenieren. Mein Englisch ist gut, aber Shakespeare im Original stellt noch mal eine ganz andere Nummer dar.“
Dass Romeo von einer Frau gespielt wird, war nicht von Anfang an beabsichtigt. Das ergab sich erst beim Casting der Engländerinnen Alice Moore, ausgebildet an der Bristol Old Vic Theatre School, und Sophie MacDonald, Absolventin der Oxford School of Drama. „Als beide eine Szene zwischen Romeo und Julia lasen, ergab sich etwas Magisches, als würden Funken fliegen“, erzählt Rosie Thorpe: „Diese wunderbare Energie sollte nicht wieder verpuffen. Auf einmal erschien uns die Besetzung des Liebespaars mit zwei Frauen ganz natürlich.“ Sophie MacDonald stimmt ihr zu: „Je mehr ich mich einfühlte, desto mehr fand ich zu meinem Romeo.“
Johannes Neubert als Benvolio ist einer der wenigen Deutschen im Ensemble. Er studierte Englisch in Bonn und Schauspiel in Großbritannien. Mehrsprachige Teams sind ihm vertraut, das Spielen unter freiem Himmel bisher nicht. „Man muss sich darauf einlassen, dann ist es toll“, sagt er: „Eben wie damals bei Shakespeare.“ Rosie Thorpe zeigt sich glücklich, dass es nach der langen Geduldsprobe endlich losgeht. Sie hofft auf das Interesse des Düsseldorfer Publikums an den englischsprachigen Aufführungen. „Es kamen bisher nur positive Rückmeldungen aus der Nachbarschaft“, freut sie sich: „Ein schönes Gefühl, in Kaiserswerth willkommen zu sein.“