Amy Macdonald hat ein neues Album aufgenommen, mit dem sie ihre stimmliche, lyrische und musikalische Ausnahmestellung unterstreicht Schottischer Sturm und Drang

Sturm und Drang. Das passt am besten zu ihr. Amy Macdonald ist die schottische Verkörperung des Sturm und Drang. Es begann damit, dass sie im Alter von 13 Jahren die ebenfalls aus Schottland stammende Band Travis – Indiepopper mit viel Sinn und Herz für lyrische Bittersüße – als Headliner beim „T in the Park“-Festival sah.

 Amy Macdonald feierte bereits 2007 ihren Durchbruch mit „This Is The Life“.

Amy Macdonald feierte bereits 2007 ihren Durchbruch mit „This Is The Life“.

Foto: Roger Deckker

„Das hat mich erst dazu gebracht, das alles machen zu wollen“, erinnert sie sich. „Das alles“ mit der Musik nämlich. Und es endet nun vorläufig mit „Human Demands“, ihrem neuen Album, das dieses Ding mit dem Sturm und Drang bis in die letzte gespielte Note und in jede gesungene Silbe hinein in sich trägt.

Amy Macdonald war immer schon irgendwie anders als die anderen weiblichen jungen Sängerinnen der Neuzeit, die um sie herum in Charts und auf Bühnen wuselten. Der umfassend wuchtige Herzschmerz einer Adele etwa ging ihr ebenso ab wie das glockenhelle Goldkehlchen einer, sagen wir, Ariana Grande. Auch Tanzen ist nicht ihr Ding. Nein. Amy Macdonald war immer schon: Gitarre, Mikro. Und diese für ein zartes Wesen wie sie eigentlich unglaubliche Alt-Stimme, mit der sie Zeilen im schottischen Dialekt – das ist der mit dem herrlich gerollten „r“ – heraussingt.

Und dann sind da natürlich all die Geschichten, die sie auf diese Weise erzählt. Andere beschränken sich in ihren Songs auf kleine, für die Minuten aufploppende Fenster des eigenen Alltags. Sprich: Auf kurze, vorbeihuschende Momente, in denen sie mal tieftraurig, mal top gelaunt sind. „Love, love, love“ in allen Facetten eben. Amy Macdonald dagegen hat lang nachhallende Begebenheiten des Lebens am Start. Wie etwa in ihrem ersten großen Zungenbrecher-Hit „This is the Life“, in dem sie 2007 von durchzechten Nächten mit Freunden und dem Kater am nächsten Morgen und der steten Wiederholung dieser Episode einer Heranwachsenden mit „Teenage Angst“ erzählt. Und zwar irgendwo zwischen unbändiger Lebensfreude und Augenzwinkern und einer ebenso bodenlosen wie wunderbar tröstlichen Melancholie. Diese Mixtur ist der traditionellen Musik ihrer schottischen Heimat ja seit jeher zu eigen. Und Amy Macdonald ist diejenige, die sie in die Popmusik des neuen Jahrtausends eingeführt hat. Sie funktioniert auf Riesenbühnen quasi genauso gut wie im Pub um die Ecke in ihrer Heimat Bishopbriggs in East Dunbartonshire nahe Glasgow.

Zudem hat sich Amy Macdonald vom 19-jährigen Mädchen mit der Gitarre zu einer Frau im Alter von 33 Jahren entwickelt, die ihre stimmliche und lyrische Opulenz mittlerweile auch in entsprechend üppige Arrangements zu verpacken weiß. Das zeigt sich so deutlich wie nie zuvor auf „Human Demands“. Klar: Die Gitarre ist immer noch dabei. Wird es immer sein. Das muss so. Aber drumherum rappelt es im Gegensatz zu den früheren Alben doch gewaltig mehr. Nicht lieblos oder irgendwie hörbar in ein Schema F gepresst. Sondern eher so, dass man sich an die Emotionalität der erwähnten Travis oder gar ein klein wenig an die Grandezza einer E-Street-Band erinnert fühlt.

Womit wir wieder beim Ausgangspunkt wären. Sturm und Drang. Wer „Human Demands“ hört, der hört eine Künstlerin, die ihre Songs mit Eindringlichkeit und Vehemenz präsentiert. Der man den Hunger nach Relevanz anhört. Und den Hunger auf den Hauptslot beim „T in the Park“-Festival, wie ihn einst Travis innehatten, als die kleine Amy zusah.