Tierwelt Rettung für flauschige Nager im EN-Kreis
EN-Kreis · Die Initiative Ruhrpott-Hörnis päppelt hilfsbedürftige Eichhörnchen in der Region wieder auf.
Eichhörnchen sind durch den Menschen mehr denn je in Gefahr. Abholzung und Monokulturen grenzen ihren Lebensraum ein, sie finden keine Nahrung mehr und müssen in die Städte flüchten, wo sie leicht überfahren werden können und keine geeigneten Orte für ihre Nester vorhanden sind. Der Mensch ist mittlerweile gefährlicher für die Hörnchen, als ihre natürlichen Feinde wie Marder, Katzen und Habichte. Das behauptet zumindest Mechthild Trippe. Sie pflegt schon seit vielen Jahren verletzte Eichhörnchen und will dem durch den Menschen verursachten Schaden entgegenwirken. Auch Sprockhövel gehört zu ihrem Einsatzgebiet.
„Wenn man das erste Mal ein Knopfäuglein hat, dann ist man verloren“, weiß Trippe. Vor zehn Jahren meldete sie sich auf eine Anzeige bei Tiere in Not Bochum, um Eichhörnchen zu helfen. Seitdem ist sie „infiziert“. Sie zog zwei Junge groß und ist mit Leidenschaft dabeigeblieben: „Ich bin schon immer ein extremer Tierfreund gewesen, wir haben auch momentan einen Pflegehund aus Rumänien.“ Die Liebe zu Tieren, die müsse man haben, denn sonst lohnt sich die viele Arbeit nicht. „Das ist keine Nebenher-Sache, sondern alles sehr zeit- und kostenintensiv“, hebt Trippe hervor. So muss man zum Beispiel kleine Jungtiere alle zwei Stunden füttern – auch nachts. Füttern, das ist keine leichte Aktion, betont die Hörnchen-Expertin: „Man muss ein Gefühl dafür entwickeln. Zum Beispiel, wie viel und schnell sie trinken müssen, damit sie keine Lungenentzündung bekommen oder sich verschlucken.“ Deswegen rät sie dringend davon ab, sich eigenständig um verletzte Eichhörnchen zu kümmern, insbesondere bei Jungtieren. Auch wenn nur Gutes im Sinn war, kann es hinterher mehr schaden als helfen. Das richtige Vorgehen ist, das verletzte Tier zu sichern und den Eichhörnchennotruf zu wählen. Wer doch selbst aktiv mithelfen möchte, kann Mitglied werden. Dann wird man von erfahrenen Wildtierpflegern angelernt und bekommt eine Erstausrüstung zur Verfügung gestellt. So entstanden die „Ruhrpott-Hörnis“. Sie sind eine Gruppe von untereinander vernetzten Auffangstationen in Herne, Recklinghausen, Gelsenkirchen, Dortmund und Castrop-Rauxel.
Die Jungtiere aus
Angst zurückgelassen
Die Fälle sind oft dringend und nervenaufreibend. Aus Herdecke rief eine Frau an, die erzählte, wie ihr Nachbar eine Tanne fällen wollte, in der ein Wurfkobel von einer Eichhörnchenmutter mit zwei Jungtieren war, erinnert sich Trippe. Der Nachbar fällte die Tanne trotz Abraten und die Hörnchenmutter flüchtete vor Schreck und ließ ihre fünf zwei bis drei Wochen alten Kinder zurück.
Trippe versorgte sie über Nacht und wagte am nächsten Morgen eine Rückführung. Dafür ließ sie sieben Stunden lang einen Babyruf über Lautsprecher abspielen, der schließlich die Mutter anlockte. Sie nahm ihre Kinder mit und die Familie war wieder vereint. Doch nicht jedes Tier kann so schnell wieder zurück in den Wald.
Bis zu 20 Hörnchen nimmt Trippe zeitgleich bei sich auf und pflegt sie gesund. In ihrer Rente kann sie dafür genügend Zeit aufbringen, an viel Freizeit ist nicht zu denken. Maximal zwölf Wochen bleiben die kleinen Nager, bis sie in ein großes Auswilderungsgehege am Waldrand kommen, erklärt die Tierliebhaberin. Dort bleiben sie ein bis zwei Wochen, um sich von dem Menschen zu entwöhnen, und wenn sie anfangen, sich auffällig zu verhalten, werden sie in die Freiheit entlassen. Manche kehren ab und zu zurück, andere suchen sich ein neues Revier, ohne zurückzuschauen. Anfangs hat Trippe ihren Eichhörnchen noch Namen gegeben. Bei mittlerweile mehr als 120 gepflegten Tieren jedoch nur noch in Ausnahmefällen. „Ich merke mir die eher nach ihren Fundorten oder Eigenschaften.“
Auch ihre Schwester hat Trippe mit einbezogen. Sie ist viel unterwegs und sammelt die Eichhörnchen ein, während Trippe die Tiere wieder aufpäppelt. Aktuell hat sie zwei Jungtiere von einem toten, überfahrenen Muttertier in ihrer Obhut. „Sie haben noch versucht, an ihrer Mutter Milch zu saugen“, so Trippe. Das dritte Jungtier ist weggelaufen und wird nun gesucht. Denn je länger es in der Kälte allein ist, desto geringer sind die Überlebenschancen. Deswegen ist es wichtig, dass jeder die Augen und Ohren offen hält. In größter Not suchen sich die Nager nämlich Hilfe bei dem Menschen, der sie ursprünglich in Gefahr gebracht hat.