Seniorenhaus Lindenhof in Neersen In einer Erzählrunde soll Geschichte lebendig bleiben

Neersen · Unter dem Titel „Erzähl doch mal … Neersener Erinnerungsschätze“ möchte die Begegnungsstätte Neersen ein neues Format ins Leben rufen: Senioren berichten von früher – und das generationsübergreifend. Nun werden Erzähler gesucht.

Beate Kivelip (von links), Anne Fiedler, Rosemarie Wahlefeld und Dorothea von den Driesch planen eine Vortragsserie im Neersener Seniorenhaus Lindenhof.

Foto: Norbert Prümen

Rosemarie Wahlefeld ist in eine Vorreiterrolle geschlüpft und blickt mit Spannung auf den 14. September. Nicht minder groß ist die Aufregung bei Anne Fiedler, Beate Kivelip und Dorothea Driesch. Die Quartiersentwicklerin sowie Leiterin der Begegnungsstätte Neersen, deren Mitarbeiterin und die Diplom-Sozialarbeiterin vom Sozialen Dienst des Seniorenheimes Lindenhof haben gemeinsam ein neues Projekt angeschoben, und am zweiten Mittwoch im September geht der Versuchsballon an den Start. Es handelt sich um die Premiere von „Erzähl doch mal … Neersener Erinnerungsschätze“.

In der Cafeteria des Lindenhofs sollen Menschen unterschiedlichen Alters zusammenkommen, den Erinnerungen eines Erzählers lauschen und darüber ins Gespräch kommen. Rosemarie Wahlefeld ist die erste Erzählerin. Die Idee dazu entstand in der Neersener Begegnungsstätte. „Die Senioren erzählen oft von früher. Das Bedürfnis, sich mitzuteilen und von den Erinnerungen zu berichten, die jeder Mensch hat, ist gerade im Alter stark ausgeprägt“, sagt Fiedler. Diesem Bedürfnis möchte die Begegnungsstätte Raum geben, aber nicht einfach nur in Gesprächen, bei denen die Senioren in der Begegnungsstätte zusammensitzen.

„Wir wünschen uns, dass dieses Wissen der Senioren nicht verloren geht, sondern weitergegeben wird“, sagt Kivelip. Bleiben die Senioren unter sich, stirbt altes Wissen, das die unterschiedlichsten Bereiche tangiert, aus. Erinnerungen sollen aber vielmehr an die nächsten Generationen weitergetragen und auf diesem Weg ein Teil des allgemeinen Gedächtnisses werden.

Die Grundidee stand also. „Wir haben die Leitung des Lindenhofs angesprochen, weil wir viele Senioren erreichen möchten, die von früher erzählen sollen. Wir brauchen schließlich Erzähler“, sagt Fiedler. Dort stieß man mit dem neuen Projekt auf offene Ohren. Schnell war klar: Das Ganze soll in der Cafeteria des Seniorenheims stattfinden, die sich dafür hervorragend anbietet und für die Senioren kurze Wege bedeutet. Um von Anfang an aber auch direkt junge Menschen zu erreichen, holte man Pia Letter mit ins Boot. Sie ist die Leiterin der Kinder-und Jugendgruppen der evangelischen Emmaus-Kirchengemeinde in Neersen. Sie wird mit den Kindern und Jugendlichen die Erzählrunden besuchen. „Wir könnten uns auch vorstellen, dass Kitas und Schulen Interesse zeigen, an den Erzählrunden teilzunehmen. Vielleicht sogar in vorheriger Absprache eines Themas“, sagt Fiedler.

Praktisch wird es so zugehen, dass ein Erzähler themenlos oder aber zu einem bestimmten Thema berichtet. Rosemarie Wahlefeld ist die Erzählerin, die bei der Premiere, zu hören sein wird. „Ich bin Ur-Neersenerin und werde über das Neersen, wie es einst aussah, berichten“, sagt die Seniorin, die auch die Führungen im Schloss Neersen anbietet. Sie geht in ein Neersen zurück, in dem gerade einmal die Hälfte der heutigen Einwohner lebte, wo es noch Lohntüten, den Milchmann und das Knürrchen gab. „Ich bin angesprochen worden, ob ich als Eisbrecher und als mutiger Starter beginnen würde. Ich finde die Idee sehr gut und habe daher sofort zugesagt“, berichtet Wahlefeld. Neersener Erinnerungen zu lauschen, dabei ein Bild vor den Augen entstehen lassen, wie das Leben im Ort einst aussah und Fragen stellen – das wird die Erzählung ausmachen.

Als folgende Themen stellt sich das Organisationsteam St. Martin oder die Herbstferien, die einst die Kartoffelferien waren, vor. Geplant ist es, die Erzählrunden in einem regelmäßigen Rhythmus durchzuführen, und zwar immer mittwochs im Lindenhof ab 16 Uhr. Eine Zeitspanne von rund anderthalb Stunden ist angedacht. „Mittwochs ist unsere Cafeteria immer geschlossen, da passt es hervorragend, und wir denken die vorgegebene Zeitspanne ist weder zu kurz noch zu lang“, sagt Driesch.

Alle hoffen auf einen regen Austausch zwischen den Generationen, und wenn es wirklich einmal länger dauern sollte, weil so viel erzählt wird, wäre dies auch nicht tragisch. Angedacht sind die Erzählrunden mit jeweils 20 Personen, altersmäßig bunt gemischt. Eine kurze Anmeldung zur Erzählrunde ist zur Koordination notwendig. „Nun suchen wir derzeit noch weitere Senioren, die Freude daran haben, über früher zu erzählen. Wir möchten auf diesem Weg Erinnerungsschätze am Leben halten“, sagt Fiedler. Sie hofft, dass das Angebot so gut angenommen wird, dass es vielleicht zu einem Selbstläufer wird und eine feste Gruppe von Senioren die Organisation übernimmt.