Schützenfest am Grenzweg in Neersen „Wasser marsch“ beim Sturm auf die Burg am Grenzweg

Neersen · Beim Schützenfest am Grenzweg gibt es eine besondere Tradition: Den Sturm auf die Burg. Diesmal aber mussten die Mitglieder der Schützengilde den König auf der Flucht stellen. Einblick in den feucht-fröhlichen, gemeinschaftsstiftenden Familienspaß.

Tapfer wehrten sich König Christoph Brandt und seine „Grenadiere“ gegen den Wasserbombenhagel. Doch am Ende musste der König kapitulieren.

Foto: Norbert Prümen

. Am Ende der Schlacht standen Jung und Alt tropfend Arm in Arm im braunen Wasser und trällerten gemeinsam das alte Lied der St.-Konrad-Schützengilde: „Ja ja, am Grenzweg, da ist es doch am schönsten. Da, wo meine Wiege stand, wo ich gespielt als Kind.“ Der Sturm auf die Königsburg ist das Highlight des Schützenfestes an der Niers und so was wie ein nasses und schmuddeliges Alleinstellungsmerkmal.

Nur, dass in diesem Jahr gar nicht die Königsburg gestürmt wurde. Denn der am Freitag zum zweiten Mal nach 2010 zum König gekrönte Christoph Brandt wohnt gar nicht am Grenzweg, sondern in Dülken. Folglich ging die Erzählung der Schützengilde in diesem Jahr so: „Als er seine Burg heute Mittag besetzt sah, floh der König mit seinem Hab und Gut. Doch kurz vor der holländischen Grenze erlitt sein Wagen einen Achsenbruch, sodass die Verfolger aus der Gilde ihn stellen und sodann zum Gefecht fordern konnten“, erklärte Offizier und Pressewart Hans-Josef Ronken.

Was nach mittelalterlicher Folklore klingt, entpuppte sich schnell als spaßiges Spektakel. König Brandt kauerte in Erwartung der Angreifer einige Hundert Meter vom Gildenhaus auf dem Niersdamm hinter seinem Wagen, den das Wappen der Sanitätseinheit schmückte. Ihm zur Seite sprangen mit schwarzer Kriegsbemalung im Gesicht die Jungs und Mädels von den „Grenadieren“, zu denen auch die zweite Ministerin, Kirsten Elshoff, und der Königsadjutant Fabian Albrecht gehören. Präsident Jürgen Latzke gab vom anderen Ufer per Lautsprecherdurchsage aus dem Polizeiauto das Startsignal: „...Und nun wird er nach alter Väter Sitte seiner gerechten Strafe zugeführt.“ Das bedeutete so viel wie: Wasser marsch!

Vom Grenzweg aus rückten sogleich die jungen Mädchen von den Zaubermäusen wie die kleinen Jungen von den Tell-Schützen dem König und seinen Leidgenossen mit Wagenladungen voller Wasserbomben und riesigen Spritzpistolen auf den Leib. „Die Buuren“ waren, um den König zu umstellen, mit ihrem Traktor über die andere Uferseite gekommen, „bewaffnet“ mit drei großen Feuerwehrschläuchen, aus denen kräftige Wasserfontänen spritzten, „quasi die Artillerie“, scherzte Ronken. Sie wateten Schritt für Schritt durch die Niers. Währenddessen stiegen auch die „Nierstalblumen“ mit ihren bunten Kreppkostümen, die Gruppe „Mac Alt“ und die „Brave Jonges“ ins Wasserbombenwerfen mit ein.

Konnten sich der König und sein Gefolge noch wacker gegen die Übermacht schlagen, war spätestens damit Schluss, als die jungen Männer der Gruppe „Edelweiß“, in markanten grünen Einteilern und gelben Bauhelmen, den Sanitätswagen erreichten. Sie hatten sich vom Wasser aus die Niers-Böschung emporgearbeitet, und jetzt wurde es schmutzig. Sie hatten für den König und die anderen Wäschekörbe mit Nierswasser und Mehlbomben und im Gepäck, die Luft war erfüllt von weißem Staub.

Auch wenn die Grenadiere zwischenzeitlich einen der Edelweißen noch mit einem Fußballtornetz gefangen nahmen – der König war endgültig besiegt, als ein Edelweißer den großen Karton voller Grasabfälle und Erde über seinem Haupt entleerte. Dabei kam Christoph Brandt noch glimpflich davon. Bei den vergangenen Malen waren meist Dung, verfaulte Eier und andere Lebensmittel im Spiel. Diesmal wurden die Kampfesmittel etwas entschärft.

Was wie immer war: Nach der Kapitulation stürzten die Angreifer den König mit vereinten Kräften in die Niers, tunkten ihn ein paar Mal kräftig unter Wasser und behingen ihn mit mit Algen und Morast. Selbiges galt auch für die wackeren Grenadiere. Danach feierten drei Dutzend Schützen bei über 30 Grad schmutzig, aber glückselig und ausgelassen im brackigen Wasser, auch der Präsident plantschte mit. Für den König gab es – ob aus Frust oder Erleichterung ist nicht überliefert – ein kühles Alt. Und dann wurde gesungen. Die Wasserschlacht an der Niers, so viel wird an diesem Montag klar, ist keine verschrobene Tradition einer elitären Männerclique, sondern vor allem identitäts- und gemeinschaftsstiftender Familienspaß.