Serie „Die EU und ich“ Was die EU für einen Wuppertaler Landwirt bedeutet

Wuppertal · Für Landwirt Martin Dahlmann hat die EU die Zahl 50. So viele Auflagen erfüllt der überzeugte Europäer.

Bauer Martin Dahlmann aus Wuppertal schimpft alljährlich über die EU-Bürokratie – und ist dennoch überzeugt vom Sinn der Union.

Foto: Juliane Kinast

Für den Wuppertaler Landwirt Martin Dahlmann ist die Zahl, die er mit der Europäischen Union verbindet, die 50. Ungefähr so viele Auflagen muss er erfüllen, jedes Jahr dokumentieren, überprüfen lassen. Manchmal flucht er, wenn er über seinem wuchernden Papierkram sitzt. Dennoch sagt er: „Ich verstehe Kollegen nicht, die nichts von der EU halten.“

In regelmäßigen Abständen beschließt die EU die Leitlinien für eine gemeinsame Agrarpolitik ihrer Mitgliedsstaaten. Dann strahlt Brüssel aus bis auf die Wiesen auf dem Wuppertaler Ehrenberg, wo jetzt im Frühjahr die 60 Milchkühe von Bauer Dahlmann grasen. „Die Fliegerei und die Landwirtschaft sind von der EU so durchgepimpt wie kein anderer Wirtschaftszweig“, sagt der 54-Jährige. Mitunter nehme das kuriose Ausmaße an. Wer ein Futtersilo baut, erklärt Dahlmann, brauche jede Menge Gutachten, ganz bestimmte Bauteile, sogar spezialisierte Firmen. „Die Baugenehmigung ist ähnlich wie die für ein Atomkraftwerk“, meint er scherzhaft.

Und dann sind da diese rund 50 Auflagen, die er ohnehin erfüllen muss, um seine jährliche Förderung zu erhalten. „Für viele Landwirte macht die Förderung 40 Prozent ihres Gewinns aus.“ Bei einem Durchschnittseinkommen von insgesamt 65 000 Euro pro landwirtschaftlichem Betrieb in NRW, von dem die Familie leben und Nettoinvestitionen tragen muss, ist dieser Anteil unverzichtbar für die meisten Bauern. Und doch, sagt Dahlmann, der auch Vize-Präsident der NRW-Landwirtschaftskammer ist, gäben zehn Prozent der Bauern im Land jährlich auf – vor allem wegen des wachsenden Bürokratieberges und Einbußen durch die Reglementierungen.

Gerade erst protestierten Tausende Landwirte in Münster gegen die dräuende neue EU-Gülleverordnung, welche eine erneute Begrenzung der Güllemenge vorsieht, die Bauern auf ihre Felder aufbringen dürfen. „Für viele Betriebe wird die neue Richtlinie das Aus bedeuten“, ist Dahlmann sicher. Und: Das Thema Düngung ist nur eine der 50 Auflagen, die ansonsten etwa den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die Tierkennzeichnung, die Dokumentation von Medikamentengaben und vieles mehr regeln. „Die Dokumentationspflichten werden immer mehr“, sagt Dahlmann.

Jedes Jahr zwischen Mitte März und Mitte Mai setzt er sich hin und arbeitet seine EU-Anträge aus, die er dann bei der Landwirtschaftskammer stellt. „Ausgedruckt wäre das ein zentimeterdicker Stapel. Zum Glück geht es online,“ Haarklein muss er seinen Betrieb und seine Produktion beschreiben, seine Fläche in eine virtuelle Karte einzeichnen – das wird nachher mitunter per Luftbild und GPS genau nachgemessen; wer schummelt, muss Strafe zahlen. Im Herbst ist dann die Fernprüfung abgeschlossen, es folgen in vielen Betrieben stichprobenartige Kontrollen. Auch bei Bauer Dahlmann waren die Beamten schon. „Da ist dann ein Dreivierteltag weg. Aber dagegen kann man ja nichts sagen.“ Denn zwischen Weihnachten und Neujahr kommt dann das Geld – in seinem Fall mit 45 Hektar und 300 Euro pro Hektar nicht übermäßig viel, aber doch ein hübsches Geschenk zum Fest.

Und selbst wenn das nicht wäre, hinge Bauer Dahlmann an der EU. Des Freihandels wegen. Seit 20 Jahren betreibt er eine Käserei und macht viermal pro Woche frischen Käse aus der Milch seiner Kühe. Aber eben nicht aus der ganzen Milch. Der Rest geht an die niederländische Genossenschaft Campina und die wiederum erzielt einen gescheiten Preis für Dahlmanns Milch nur durch den Export.

„Ich stehe der EU sehr positiv gegenüber“, stellt Martin Dahlmann also klar. Allerdings: „Ich wünsche mir manchmal etwas mehr Pragmatismus in der Gesetzgebung – aber nicht nur von der EU, auch von der Bundes- und Landesregierung. Wir geben uns Mühe, alle Regelungen umzusetzen. Aber es wird von Mal zu Mal schwieriger.“ Er fürchtet, dass irgendwann nur noch Großbetriebe in Nordrhein-Westfalen existieren. Was aus seiner Käserei und seinem Kuhstall einmal wird, ist jedenfalls ungewiss. Zwar hat er drei Kinder, „aber die haben Gott sei Dank alle was Vernünftiges gelernt“, sagt der Wuppertaler Landwirt lachend.