Sopranistin Izabela Matula singt in der Schostakowitsch-Premiere „Das ist ein mysteriöses Werk“

Düsseldorf · Die polnische Sopranistin Izabela Matula singt die Titelpartie in Dmitri Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“. Wie sie sich auf das Stück in der Rheinoper vorbereitet.

Andreas Bauer Kanabas (Boris Ismailow) und Izabela Matula (Katerina Ismailowa) in der Schostakowitsch-Oper „Lady Macbeth von Mzensk“.

Foto: DOR/SANDRA THEN

Bei der Annäherung an eine neue Partie hält sich Izabela Matula stets an eine bestimmte Reihenfolge: „Erst kommt die Musik, dann die Geschichte und dann die Aussprache“, sagt sie. Ihre Rolle in „Lady Macbeth von Mzensk“ von Dmitri Schostakowitsch musste sie sich auf Russisch einprägen. Was nicht gar so schwer war für die polnische Sopranistin: Sie hatte es in der Schule gelernt. Umso mehr achtet sie die enorme Leistung einiger Kollegen und erst recht des Chors, die Arien und Gesänge in einer derart komplizierten Sprache einzustudieren.

Nach der Titelfigur in „Tosca“ und der Micalea in „Carmen“ gastiert Matula zum dritten Mal an der Rheinoper. Aber was für ein Kaliber ist diese Rolle! „Schwierig, dramatisch, toll“, beschreibt sie, „dazu braucht es viel Ausdauer und Bühnenmut.“ Der geforderte Mut bezieht sich nicht zuletzt auf eine stark sexuell geprägte Szene, ungewohnt deftig für eine Oper. „Keine Liebesszene, eine voller Gewalt“, präzisiert sie, „sehr intensiv, auch in der Musik. Bewegungen und Berührungen müssen achtsam eingesetzt werden. Wir haben das spontan angepackt. Erst war es komisch, aber jetzt fühle ich mich dabei ganz normal.“ Sie lacht: „Bühnenmut eben.“

Wer an Lady Macbeth denke, denke an Mord, sagt sie. Tatsächlich gibt es in Schostakowitschs Oper ebenfalls etliche Tote zu beklagen. Auch die Heldin gehört dazu. Regisseurin Elisabeth Stöppler habe in ihrer Inszenierung das Ende umgedeutet, berichtet Matula: „Sie wollte es empathischer machen. Ich springe nicht ins Wasser, ich überlebe.“ Schwingt da in ihrer Stimme etwa Enttäuschung mit? „Die Interpretation ist modern und interessant, aber eine echte Lady Macbeth wäre mir lieber gewesen“, wendet sie ein: „Die braucht Mord und noch mehr Mord.“ Vehement verteidigt sie ihre Figur: „Katerina ist keine böse Frau. Die Leere in ihrem Leben treibt sie zum Verrat und als dessen Folge zum Mord.“

Auch Schostakowitsch zeichnet Katerina trotz ihrer ruchlosen Taten nicht als niederträchtig und bösartig. Eher nimmt er sie in seinem Werk in Schutz, das er 1930 mit 26 Jahren komponierte und seiner Braut widmete. Seine Heldin ist mit einem wohlhabenden Kaufmann verheiratet. Der Mann ist impotent, der Schwiegervater ein Tyrann. Ein Leben wie im Gefängnis, dem sie durch eine Affäre zu entfliehen versucht. „Sie sehnt sich nach Liebe, nach Freiheit, nach Kontrolle über ihr eigenes Schicksal“, sagt Matula. „Ich kann sie verstehen. Obwohl“, wieder bricht sie in ihr herzhaftes Lachen aus, „das mit den Morden ist vielleicht doch ein bisschen zu viel.“

Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ gilt als Meisterwerk des 20. Jahrhunderts. Die Sopranistin kommt noch einmal auf den geänderten Schluss zu sprechen. Natürlich begreife sie, was die Regisseurin sich dabei gedacht habe. Elisabeth Stöpplers Inszenierung widerspricht der üblichen Tradition in romantischen Opern, dass Frauen in die Opferrolle gedrängt werden. Mit ihrer Interpretation beendet sie diese Abwärtsspirale und gibt einem Solidaritätsgedanken Raum. Zuletzt hatte Stöppler an der Rheinoper „Die Jungfrau von Orléans“ umgesetzt, auch so eine radikal widersprüchliche Frauenfigur.

Eine widersprüchliche Protagonistin

Matula liebt den Komponisten Schostakowitsch. „Schon als Studentin in Krakau habe ich seine Lieder mit Klavier und Geige gesungen, unglaublich schön sind die.“ Bis heute gehören Konzertabende zu ihrem Repertoire, gern widmet sie sich auch dem Liedgut von Bach, Beethoven und Mahler. Ihre Mutter war Musiklehrerin, früh kam das Mädchen mit Instrumenten in Berührung. „Ich spielte Klavier, war im Ballett, studierte Musikpädagogik, gab Liederabende“, skizziert sie ihre Laufbahn, die unversehens in ein anderes Fahrwasser geriet: „Ursprünglich wollte ich Konzertsängerin werden. Auf einmal kam die große Bühne dazu. Und so wurde ich zu meiner eigenen Überraschung Opernsängerin.“

Ihr Deutschland-Debüt gab Matula 2010 als Liù in Puccinis „Turandot“ am Staatstheater Saarbrücken. Fünf Jahre gehörte sie zum Ensemble am Theater Krefeld-Mönchengladbach. Deutschsprachige Opernhäuser – darunter das Theater an der Wien, das Landestheater Linz und Auftritte in Mannheim, Dortmund und Frankfurt – bildeten zunächst den Schwerpunkt ihrer Gastspiele. Dazu bahnte sich eine internationale Karriere an, mit Auftritten in Bilbao, Palermo, Bergen. „Die nächste Spielzeit ist voll“, erzählt sie vergnügt und listet Auftritte in Warschau, den USA, Schweden und England auf, in Werken wie „Tosca“ „Madame Butterfly“, „Aida“ und „Luisa Miller“. Privater Rückzugsort der Sopranistin blieb unverändert Krakau. Die Bindung zu ihrer Familie in einem kleinen Ort nahe der polnisch-ukrainischen Grenze beschreibt sie als eng, „aber von meinen Geschwistern ist keiner so verrückt wie ich“.

Hat sie ein persönliches Ritual für den Premierentag? „Nein, ich mache nichts. Ich muss nur schlafen, essen, Wasser trinken. Und mich stark konzentrieren.“ Was sie allerdings vor der Vorstellung dringend brauche, sei ein ordentlicher Stoß Adrenalin.

„Wenn der nicht von alleine kommt, muss ich etwas finden, was ihn triggert und mich nervös macht. Erst dann ist es für mich energetisch auf der Bühne“, sagt Matula.

Als Lady Macbeth könne man erst recht nicht ruhig bleiben. Denn:„Das ist kein Mozart, das ist ein tiefes, mysteriöses Werk.“

(go w.g.)