Komische Oper im Aquazoo Mozarts Ränkespiele zwischen Rochen und Ringelwürmern

Düsseldorf · Die Komische Oper am Rhein zeigt Mozarts „Così fan tutte“ im Aquazoo. Die Inszenierung führt quer durch das Museum.

Die Sopranistin Elsa García Tárraga singt in „Così fan tutte“.

Foto: Anja Otto

Rechts vom Eingang paddeln niedliche Enten in ihrem Gewässer. Papageientaucher, die neugierig zur Scheibe schwimmen, als wunderten sie sich über die Besucher zu nächtlicher Stunde. Links lassen sich vor einem riesigen Walskelett die Töne der Meeressäuger erlauschen. Doch das interessiert im Moment keinen der Zuschauer, die sich erwartungsvoll im Foyer verteilen. Sie sind gespannt auf Musik der etwas anderen Art, die Oper „Così fan tutte“.

Wie aber gelangt Mozart in den Aquazoo? In den Kopf gesetzt hat sich das Projekt die quirlige Sopranistin Elsa García Tárraga, Gründerin der Komischen Oper am Rhein. Beseelt davon, den Menschen die Oper in ungewohnter Umgebung nahezubringen, kam sie auf die Idee mit dem Aquazoo und steckte dessen Direktor Jochen Reiter damit an. „Ich bin Biologe, leite das Museum seit achteinhalb Jahren und schaue gern über den Tellerrand hinaus“, sagte er nach der Premiere. „Aber über diesen Vorschlag musste auch ich staunen. Ich war sofort begeistert vom immersiven Charakter der Vorführung und habe mich heute sehr gefreut, die Menschen durch den Aquazoo mäandern zu sehen.“ Und das taten sie buchstäblich.

Der erste Akt von „Così fan tutte“ spielt sich an verschiedenen Stationen ab. Eine launige Inszenierung mit vier Akteuren. Elsa García Tárraga singt betörend schön die Partien von Fiordiligi, Dorabella und Despina, der kraftvolle Tenor Michael Terada die von Guglielmo, Ferrando und Don Alfonso. Für die munteren Szenen dazwischen taucht ein bekanntes Schauspieler-Ehepaar auf: Heike und Rüdiger Fabry von der Theaterkantine, der Komischen Oper am Rhein durch etliche gemeinsame Produktionen verbunden.

Auf einem Parcours durch
den verdunkelten Aquazoo

Die Fabrys machen das fabelhaft. Sie beziehen die Zuschauer geschickt ein und nehmen sie mit auf einen Parcours durch den teils abgedunkelten Aquazoo. Die Tiere sollen ja Schlaf bekommen. Es wurde vorher geprobt, ob der Gesang sie nicht verschreckt, damit auch wirklich alles tierschutzkonform abläuft.

Als „Gastgeber der Oper und Prinzenpaar Urumori“ erläutern die Fabrys die verzwickte Handlung um zwei Paare. Die Herren zweifeln nicht an der Treue ihrer Verlobten, lassen sich aber, angestachelt durch den Vater, auf den Versuch ein, die jeweils andere junge Dame innerhalb von 24 Stunden zu verführen. Zur Täuschung ziehen sie in den Krieg und nähern sich ihren Verlobten als fremde Adlige. Vergnügt lassen sich die Zuschauer ein auf die Ränkespiele, drehen und wenden sich dem jeweiligen Ort des Geschehens zu. Ein bisschen Stehvermögen braucht es dafür schon.

Eng ist es und gemütlich. Und irgendwie lässig improvisiert. Ein Kameramann wuselt herum, Mikrofone werden angereicht, Textbücher aufgeschlagen. Statt Scheinwerfern beleuchten Taschenlampen, vorne mit Folie abgeklebt, die Gesichter. Charmant. Regisseur Mario Tomás López bleibt dicht am Geschehen. Pianist Christoph Schnackertz und sein Klavier wandern mit, er ist auch musikalischer Leiter der Produktion. Sopranistin und Tenor erklimmen hautnah zum Publikum kreisrunde Podeste, ihre wunderbaren Stimmen tragen weit. Bewundernswert, wie sie unter diesen Bedingungen die Arien aus „Così fan tutte“ singen.

Der Rundgang wartet mit einigen Überraschungen auf. Plötzlich mischt ein Chor mit, dessen Mitglieder sich flashmobmäßig im Publikum befinden. Auch das eine Idee von Elsa Garcáa Tárrada: Dafür wählte sie „junge Menschen über 65 Jahre ohne vorherige Gesangsausbildung“ aus. Bemerkenswert, wo Station gemacht wird, etwa vor Schaukästen mit versteinerten Platt- und Ringelwürmern. Ausgerechnet vor der Tafel „Memento mori – vom Leben, Altern und Sterben“ hat der Tenor gerade seinen Suizid durch Gift vorgetäuscht. Das passende Lied: „O, so ein Doktorchen ist Goldes wert“. An anderer Stelle werden silberne Masken verteilt, eine Polonaise formiert. Elegant durchschwimmen Rochen das beleuchtete rosafarbene Korallenriff. Davor ist eine Batterie von Mini-Gläschen mit rosa Drinks aufgereiht, als kleine Erfrischung für jedermann.

Nach der Pause geht es vorbei an der Kopie eines monströsen Schädels des Tyrannosaurus, der Tiefsee, giftigen Meerestieren und Fabelwesen zurück ins Foyer. Der zweite Akt wird im Sitzen verfolgt, das tut auch mal gut. Hier vertauschen das Sänger- und Schauspielerpaar andauernd die Identitäten, was den Verwirrungen in der Mozart-Oper sehr nahekommt.

Rüdiger Fabry liest einen Originalbrief des Komponisten in desolater Verfassung vor, ein stilles, berührendes Innehalten vor dem temperamentvoll gesungenen Finale. Langer, warmherziger Applaus für diese bravouröse und auch mutige Leistung. Elsa García Tárraga verabschiedet sich im duftigen weißen Tüllkleid: „Dieser Abend war ein Traum von mir. Wir haben so viel Leidenschaft und Herzblut reingesteckt. – „Und Verzweiflung“, ruft Fabry aus. Die Sängerin lacht. „Ja. Aber jetzt sind wir sehr glücklich.“