Wann werden wir Corona besiegt haben?
Hilden „Wir haben getan, was möglich war“
Mettmann ist der Kreis mit den ältesten Einwohnern in Deutschland. Den Landrat bedrücken die Corona-Toten.
Thomas Hendele: Das kann ich leider nicht sagen, mit fehlen prophetische Fähigkeiten. Das wäre außerdem unseriös. Ich habe aber die Hoffnung, dass wir die Menschen schnell geimpft bekommen, damit die Zahlen wieder sinken – und wir wieder zur Normalität zurückkehren können.
Wie gut ist der Kreis bisher durch die Krise gekommen?
Hendele: Es gibt zwei Seiten. Organisatorisch hat alles recht gut geklappt. Die Städte und wir haben vertrauensvoll und zielführend zusammengearbeitet. Das hat mich beeindruckt. Allerdings bedrückt mich die hohe Zahl an Toten. Das ruft noch einmal die Altersstruktur hier im Kreis ins Gedächtnis. Wir sind der Landkreis mit den ältesten Bewohnern.
Hatten Sie zwischendurch den Eindruck, dass die Krise überwunden sei?
Hendele: Ich war immer skeptisch. Auch im Sommer, als die Zahlen eigentlich etwas anderes andeuteten. Wer sich – wie ich – mit der Spanischen Grippe auseinandergesetzt hat, wusste, dass es nach der ersten Welle auch noch eine zweite gibt. Und in dieser stecken wir nun.
Hat der Kreis in irgendeinem Moment nicht angemessen reagiert?
Hendele: Nein. Wir haben das getan, was möglich war. Sie dürfen nicht vergessen: Eine solche Seuche hat der Kreis, haben die Menschen noch nie bewältigen müssen.
Gibt es trotzdem etwas, was in Zukunft besser laufen muss?
Hendele: Im Frühjahr ging es vor allem darum, Material zu organisieren: Schutzkleidung, Masken, Desinfektionsmittel. Das hat zum Glück sehr gut geklappt, auch dank vieler hier ansässiger Firmen, die ihre direkten Kontakte zu Herstellern in China genutzt haben. Dabei haben wir allerdings festgestellt, dass wir einen deutlich stabileren Vorrat davon anlegen müssen, um für die Zukunft gewappnet zu sein und solche Situationen besser in den Griff zu bekommen. Es hat sich auch gezeigt, dass wir das Gesundheitsamt und das Amt für Bevölkerungsschutz anders aufstellen müssen. Aktuell arbeiten 180 Menschen im Gesundheitsamt und versuchen, die Kontakte nachzuverfolgen. Wir haben 70 Mitarbeiter aus anderen Bereichen abgezogen und 90 neue Leute eingestellt. In Zukunft müssen wir ein Modell entwickeln, bei dem Mitarbeiter flexibler eingesetzt werden können.
Welche Herausforderungen muss der Kreis in den nächsten Wochen und Monaten bewältigen.
Hendele: Die Impfungen sind eine große Herausforderung. Zunächst werden die Risikogruppen geimpft, dann der Rest der Bevölkerung. Wenn wir genügend Impfstoff erhalten, müssen wir zudem überlegen, ob wir das Impfzentrum erweitern oder ein weiteres eröffnen können. Die Entscheidung liegt jedoch nicht bei uns, sondern beim Land und der Kassenärztlichen Vereinigung. Wir können 1700 Impfungen vor Ort in Erkrath täglich vornehmen. Ende des Jahres hätten wir theoretisch 60 bis 70 Prozent aller Menschen im Kreis Mettmann geimpft. Damit wäre das Ziel erreicht. Danach könnten die Impfungen auch wieder in den Arztpraxen durchgeführt werden – wie es jetzt beispielsweise bei der Grippe schon der Fall ist.
Welche finanziellen Auswirkungen hat die Krise auf den Kreis?
Hendele: Wir haben die Städte in der aktuellen Situation um elf Millionen Euro netto entlastet. Viele müssen weniger Kreisumlage zahlen, wenige aber auch etwas mehr, beispielsweise Haan und Monheim. Entlasten konnten wir dank der Hilfen von Bund und Land. Der Kreis hat bisher neun Millionen Euro als Corona-Schaden isoliert. Aber das ist erst der Anfang. Da kommt noch Etliches hinzu. Trotzdem: Sparen ist in diesem Moment der falsche Ansatz. Wir verfügen über eine hervorragende Verwaltung, die auch in Krisen wie dieser optimal funktioniert. Das kostet Geld. Und wenn wir Ärzten und Pflegepersonal mehr Geld bezahlen wollen, was ich ohne Vorbehalt unterstütze, kostet auch das Geld. An dieser Stelle dürfen wir nicht sparen. Wir brauchen hoch qualifiziertes Personal.
Noch eine letzte Frage: Wie treten Sie Corona-Leugnern entgegen?
Hendele: Diesen Menschen möchte ich gerne einmal Bilder von den Intensivstationen zeigen. Live-Bilder von Menschen, die kaum noch atmen können, keinen Besuch erhalten dürfen und einsam sterben. Ich bin immer wieder erschüttert über die Geschichten, die mir Ärzte und Pfleger erzählen. Für Corona-Leugner habe ich absolut kein Verständnis. Sie zeigen eine menschenverachtende Einstellung, die nicht toleriert werden darf. Wer mir ernsthaft erklären möchte, Corona sei nicht gefährlich, ist für mich kein ernstzunehmender Gesprächspartner.