„Grüner“ Stahl SPD denkt 2025 groß: Oppositionschef will Internet befreien
Düsseldorf · Kleinmut kann man dem Oppositionsführer in NRW nicht vorwerfen. Zum Jahresbeginn präsentiert er eine lange politische Aufgabenliste. Auch eine weltpolitische Aufgabe will Jochen Ott anschieben.
Die für eine kommunale Altschulden-Lösung nötige Änderung des Grundgesetzes sollte aus Sicht der SPD-Opposition in Nordrhein-Westfalen unbedingt noch in dieser Legislaturperiode erfolgen. Mit diesem Bundestag sei eine Zwei-Drittel-Mehrheit leichter möglich als im nächsten, mahnte SPD-Landtagsfraktionschef Jochen Ott.
Wüst soll Allianz für Altschulden-Lösung schmieden
Daher müsse Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sich nun dafür einsetzen, dass dies innerhalb der nächsten Wochen bis zur vorgezogenen Bundestagswahl noch gelinge. In NRW sind besonders viele Kommunen mit hohen Altschulden belastet.
Das Bundesfinanzministerium hatte in dieser Woche einen Entwurf für eine Grundgesetzänderung vorgelegt, die es dem Bund erlauben würde, einmalig maximal die Hälfte der Altschulden zu übernehmen. Eigentlich ist die finanzielle Entlastung der Kommunen Ländersache. Die Union und mehrere Länder hatten eine Grundgesetzänderung bisher abgelehnt - unter anderem, weil nur verschuldete Kommunen davon profitieren würden.
Mega-Aufgabe Medienfreiheit
Nach einer zweitägigen Klausur der Landtagsfraktion präsentierte Ott in Düsseldorf die politischen Schwerpunkte für das neue Jahr. Maßstab des stets kernig auftretenden Oppositionsführers: „Wenn wir was verändern wollen, muss man groß denken.“
Neben komplett kostenloser Bildung, Gratis-Mittagessen in allen Bildungseinrichtungen und einer langen Liste weiterer Wohltaten quer durch alle gesellschaftlichen Bereiche will der 50-jährige Kölner nicht weniger als „das Internet befreien“. Die mediale „Wirkmacht der Tech-Konzerne“ treibt den ehemaligen Oberstudienrat um und die Dominanz von sieben Oligopolen im Online-Medienmarkt.
„Im digitalen Kontext haben wir den Wettbewerb abgeschafft“, lautet seine Bestandsaufnahme. „Wir brauchen eine Obergrenze für Marktanteile.“
Mehr Kinderschutz gegen Gewaltverherrlichung im Netz
Auch, wenn er nur Landespolitiker sei, empfinde er eine Verantwortung, einen parteiübergreifenden Schulterschluss der Demokraten herzustellen für „die Wiederherstellung der Freiheit im Internet“. Dort breiteten sich zunehmend und weitgehend unkontrolliert Gewaltverherrlichung, Hetze und Extremismus aus, schilderte Ott anhand von Beispielen.
„Da können offen faschistische Inhalte gespielt werden, ohne Konsequenzen.“ Frauen würden jeden Tag mit sexualisierten Bildern zu reinen Objekten herabgewürdigt. „Da sind offene Schlägereien und Gewalt gegen Menschen“, sagte Ott. „Die Hemmschwelle sinkt immer weiter ab“. Auch Kinder und Jugendliche konsumierten solche Texte und Bilder.
David gegen Goliath: Ott gegen Musk
„Wer Geld verdient mit verbotenen Inhalten, der muss dafür sofort zur Kasse gebeten werden“, forderte der SPD-Politiker. Für große Plattformen müsse es Standards geben, um Monopole auszuschließen. „Ich glaube, dass ein Medienstaatsvertrag eben auch ein Plattformstaatsvertrag werden muss, in dem genau diese Dinge geregelt werden.“ Noch gebe es vielleicht ein kleines Zeitfenster dafür. „In den USA sieht man, dass Elon Musk sich erst eine Plattform gekauft hat und dann den Präsidenten.“
Politische Konkurrenz soll mit ins Boot
Ihm sei klar, das Thema sei „ein dickes Brett“, räumte Ott ein. „Wir werden auch Nathanael Liminski als Medienminister (CDU) damit in die Verantwortung nehmen, weil das müssen wir gemeinsam in den Medien und auch Richtung Europa nach vorne treiben.“
Wenig hilfreich für eine solche parteiübergreifende Kooperation im neuen Jahr dürfte eine Breitseite sein, die der Oppositionsführer gegen die Klima- und Energiepolitik der schwarz-grünen Koalition abfeuerte. Nach skeptischen Äußerungen des Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz verlangt die SPD nun Aufklärung zur Zukunft des sogenannten grünen Stahls in NRW.
Merz und Wüst biegen in unterschiedliche Richtungen ab
Derzeit gebe es mit Merz und mit Ministerpräsident Hendrik Wüst zwei CDU-Spitzenpolitiker, die in der Frage „komplett anders blinken“, kritisierte Ott. Damit soll die Landesregierung nächste Woche Mittwoch im Wirtschaftsausschuss des Landtags konfrontiert werden.
Merz hatte am Montag gesagt, er glaube nicht an einen erfolgreichen schnellen Wechsel zum wasserstoffbetriebenen Stahlwerk. Für die schwarz-grüne Landesregierung ist der umweltfreundliche Umbau der Stahlproduktion hingegen ein politisches Prestigeprojekt.
In einer Phase der Unsicherheit wäre nun ein klares Bekenntnis zum grünen Stahl nötig, damit die Wirtschaft Orientierung habe, forderte Ott. Stattdessen werde der Prozess mit dem Hin und Her systematisch vor die Wand gefahren. Die Stahlindustrie zählt zu den größten CO2-Emittenten.
Niemand könne davon ausgehen, dass im Falle einer CDU-geführten Bundesregierung der grüne Umbau weitergeführt werde, sagte Ott. Nach dem proklamierten vorgezogenen Kohle-Ausstieg schon bis 2030 im Rheinischen Revier, der nicht zu halten sein werde, wäre das dann „das zweite Desaster“ für Schwarz-Grün, prognostizierte der Oppositionsführer. Die Landesregierung habe keinen Plan B für die Transformation, falls sie mit Wasserstoff nicht gelinge. „Was machen die denn dann?“, fragte der Sozialdemokrat.
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