Freies Netzwerk Kultur Wuppertaler Kulturkolumne: Kunst im Kampf gegen Ideologie

Wuppertal · Warum Kultur gegen Brandstifter heute nötiger denn je ist.

Torsten Krug denkt über die wichtigen Aufgaben der Kultur nach.

Foto: Andreas Fischer

Ich habe nachgeschaut (unter www.fnwk.de/Kolumne können Sie alle Texte, die seit Januar 2018 erschienen sind, nachlesen): Meine erste Kolumne im Jahr 2024 trug den Titel „Kultur gegen Brandstifter“. Sie beschäftigte sich mit Erfolgsstrategien der Neuen Rechten und möglichen Reaktionen der Kultur darauf. Einige Jahre zuvor hatte ich im Osten „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch inszeniert und auf diese Thematik zugespitzt.

Vor einem Jahr sind Millionen von Menschen in Deutschland auf die Straße gegangen, um gegen Hass und Hetze, für Solidarität und eine starke demokratische Gesellschaft zu protestieren. Die Dimensionen konnten erstaunen und Mut machen. Beinahe wirkte es – so schrieb ich damals –, „als hätten wir nur auf ein Signal gewartet, um endlich hervortreten zu können: Wir sind da, uns eint etwas, wir wollen gemeinsam unsere Zukunft gestalten“. Auslöser waren die Enthüllungen zu einem Treffen von AfD-Politikern, Neonazis und finanzstarken Unternehmern gewesen, das nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland plante. Auch wenn diese Ideen schon damals kein Geheimnis mehr waren, war ein großer Aufschrei durch die Gesellschaft gegangen.

Heute, ein Jahr später, bestimmen eben diese Vorhaben im Wortlaut die Wahlprogramme der Rechten und haben längst auf andere Parteien der Mitte abgefärbt. In Österreich wurde man damit stärkste Partei und stellt womöglich den nächsten Kanzler. Die Brandstifter vollbringen ihr Werk am helllichten Tag. Ein scheinbar neues Phänomen tritt hinzu: Die Fratze des Tech-Milliardärs mit seiner Unterstützung für die Rechten, wohl auf Destabilisierung demokratischer Strukturen im Allgemeinen abzielend, um eigene finanzielle wie egomane Ziele zu verfolgen. Es fällt schwer, sich angesichts solcher technischer wie finanzieller Übermacht „als Kultur“ zu positionieren.

In den letzten Wochen haben Dutzende von Universitäten, unter anderem die Bergische Universität, zum Teil konzertiert ihren Exit aus der Plattform X vollzogen. Veränderte Algorithmen und geringe Reichweite machten sie unattraktiv für den Austausch wissenschaftlicher Inhalte. Beiträge sollten die Gesellschaft erreichen und den Dialog fördern. Auf X jedoch dominierten mittlerweile bezahlte und oft tendenziöse Inhalte – das ist höflich ausgedrückt.

Auch der Meta-Konzern folgt dieser enthemmten Entwicklung, um jeglichen faktenbasierten Diskurs hinter sich und den Raum der sogenannten sozialen Medien nur noch den Trolls oder gleich den KI-Bots zu überlassen. Das alles stimmt traurig bis wütend, und manch einer mag denken: Sollten wir nicht gerade jetzt dort präsent bleiben, um für andere Inhalte zu sorgen? Doch der Kampf gegen Algorithmen und kapitalistisch ausgebeutete Hetze ist einer gegen Windmühlen. Es scheint mir pure Lebenszeitverschwendung. Lasst uns den Quatsch einfach beenden.

„Es ist eine Resignation, aber eine kombattante Resignation, was uns verbindet“, schrieb Max Frisch in seiner Dankesrede zum Georg-Büchner-Preis 1958: „Ein individuelles Engagement an die Wahrhaftigkeit, der Versuch, Kunst zu machen, die nicht national und nicht international, sondern mehr ist, nämlich ein immer wieder zu leistender Bann gegen (…) die Ideologie und ihre tödlichen Fronten, die nicht bekämpft werden können mit dem Todesmut des einzelnen; sie können nur zersetzt werden durch die Arbeit jedes Einzelnen an seinem Ort.“ – Auf ein Neues!

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