Avery Dennison: Kampf um die Arbeitsplätze
Der Betriebsrat will erst über Zukunfsmodelle verhandeln, bevor er einer neuen Betriebsvereinbarung zustimmt.
Sprockhövel. "Lasst Euch nicht stillschweigend Eure Arbeitsplätze wegnehmen. Wir müssen alle Möglichkeiten ausloten, möglichst viele davon zu erhalten." Das war die Botschaft, die Betriebsrat und IG Metall-Vertreter gestern bei der außerordentlichen Betriebsversammlung des Textil-Etikettenspezialisten Avery Dennison Central Europe verbreitete.
Wie berichtet, hatte Geschäftsführer Thomas Willing der Belegschaft am Mittwoch im Golfhotel Vesper verkündet, dass die Konzernleitung die Produktion in Sprockhövel schließen, aus dem Standort ein reines Musterzentrum mit Kundenservice machen, 180 von noch 300 Arbeitsplätzen streichen und sich nur noch auf die "wichtigsten" Kunden konzentrieren will.
Am Montag versuchte der Betriebsrat, die im und vor dem Avery-Hochregallager auf Klappbänken und Holzpaletten versammelten Mitarbeitern auf "Kampf" einzuschwören und die Firmenleitung bei der Ehre zu packen.
"Was soll man noch glauben. Vor einem Jahr habe wir eine neue Betriebsvereinbarung unterschrieben, viele Dinge sind noch gar nicht umgesetzt und jetzt soll das schon nicht mehr gelten?!," sagte der 2.Bevollmächtigte der IG Metall Gevelsberg, Jochen Stobbe. Die Wirtschaftskrise werde doch nur als Deckmäntelchen genutzt, um einen Standort immer weiter auszuhöhlen.
Warum werde nicht wie anderswo versucht, sie mit Kurzarbeit zu überbrücken anstatt Strukturen unwiederbringlich zu zerstören? Warum habe die Bürokratie nach dem Anschluss von Paxar noch zugenommen? Warum wurde die Vereinbarung, externe Aufträge wieder in den Betrieb zurückzuholen nur teilweise umgesetzt?
Warum wurde das Ticketing (besondere Kennzeichnungsform) gar ins Zweigwerk nach Löhne verlagert? "Vielleicht richten wir unseren Protest ja an die falsche Adresse, vielleicht sollten wir in London protestieren", sagte Stobbe mit Seitenhieb auf Betriebsleiter Thomas Willing, dem er damit indirekt Machtlosigkeit vorwarf.
Öffentlichen Protest, das möge ein Konzern gar nicht, damit sei vielleicht mehr zu erreichen. "Natürlich bin ich in allen Gesprächen hier weiter Ansprechpartner", sagte Willing.
Termine dafür gibt es noch nicht. Betriebsrat Björn Kurrek: "Wir sind dafür jederzeit offen, aber bevor wir über Sozialpläne sprechen, muss es doch erst darum gehen, einen Interessenausgleich zu schaffen und über den Erhalt von Arbeitsplätzen zu reden."
Seinen Kollegen riet er, sich nicht auseinanderdividieren zu lassen und den Mund zu halten, in der Hoffnung vielleicht erst bei der zweiten Entlassungswelle dabei zu sein oder gar bei denen, die bleiben dürfen.
Angezweifelt wird von vielen die Strategie, sich nur noch auf rund 200 Kernkunden (Willing: "Derzeit haben wir noch rund 1000 aktive Kunden.") zu konzentrieren und nur noch im Ausland produzieren zu lassen. "Ich habe einen meiner Kunden zum indischen Avery-Werk verwiesen, aber die haben gesagt, so kleine Aufträge machen sie nicht.
Da war er wieder bei mir," berichtete eine Mitarbeiterin in der Betriebsversammlung über die offensichtlichen Grenzen der Strategie, nur noch im "billigeren" Ausland zu produzieren. "Wenn die dreimal eine negative Antwort kriegen, sind die Kunden verloren", ergänzte ein Kollege aus eigener Erfahrung. Was solle man den Kunden in der derzeitigen Situation überhaupt sagen?
"Alle unsere Geschäftspartner haben von uns in der vergangenen Woche einen Brief bekommen", versicherte Thomas Willing. Inhalt: "Wir sind weiter für Euch da, aber nur zu marktgerechten Preisen." Werden die von Avery durch den großen Apparat künstlich hoch getrieben? "Warum liegen viele unsere Mitbewerber in ihren Kalkulationen meistens um 50 Prozent tiefer", fragte eine Angestellte in der Versammlung?
Willing dazu: "Wir sind nun einmal kein unabhängiges kleines Familienunternehmen". Er blieb dabei: "Die Zukunft dieses Standorts ist die Bemusterung und der Kundenservice.
Als Beispiel nannte er den Customer (Kunden) Service in Belgien, der extra neu aufgebaut worden sei - mit 24(!) Mitarbeitern . . . Die Diskussion endete, als ein Lehrgang mit Gewerkschaftern vom nahen IG Metall Bildungszentrum mit Fahnen und Trillerpfeifen zum "Solidaritätsbesuch" vorbeischaute. Und da war sie wieder die Botschaft: "Kämpfen."