Avery Dennison schließt die Produktion in Sprockhövel

Wirtschaft 180 der nur noch 300 Arbeitsplätze sollen wegfallen. Der Konzern argumentiert mit Wirtschaftskrise, der Betriebsrat sieht System dahinter.

Sprockhövel. Für die rund 300 Mitarbeiter des Sprockhöveler Textiletikettenspezialisten Avery Dennison Central Europe, die sich am Mittwoch auf Einladung ihrer Geschäftsführung in der Vesper-Scheune versammelt hatten, war es wie ein Deja-Vu-Erlebnis.

Im Januar 2008 hatte der Konzern bei einem ähnlichen Anlass verkündet, dass die damaligen Betriebe an der Harkortstraße und der Kleinbeckstraße zusammengeführt und rund 170 von gut 500 Stellen gestrichen werden. Gerade ist dieser Plan umgesetzt, da kam am Mittwoch der nächste Schock: "Die Konzernleitung sieht sich gezwungen, den Produktionsstandort Sprockhövel ganz aufzugeben", verkündete Standortleiter Thomas Willing.

Von den noch verbliebenen 300Arbeitsplätzen sollen bis Anfang 2010 weitere 180 abgebaut werden. Das Unternehmen will zunächst im Herbst die Bereiche Web-Etiketten und Drucklabels schließen und Anfang 2010 den Bereich Ticketing und Flexo-druck. Der Standort werde künftig noch Marketing, Vertrieb und Produktentwicklung beherbergen und sich auf die 200 wichtigsten der bisher knapp 1600 Kunden konzentrieren. Die sind laut Geschäftsbericht für 85 Prozent des Umsatzes verantwortlich.

"Der Konzern will Sprockhövel zum europäischen Musterzentrum machen und bekennt sich damit weiter zu diesem Standort", sagte Willing, was mit verbitterten Lachern quittiert wurde. Anderen standen Tränen in den Augen. Ähnlich hatte es auch vor einem Jahr geklungen, als von einem zukunftsfähigen Konzept für die verblieben Arbeitsplätze die Rede war.

Während der Betriebsratsvorsitzenden Björn Kurrek der Konzernführung vorwarf, sie habe ihr Wort gebrochen und System dahinter vermutete, sprach Thomas Willing von wirtschaftlichen Zwängen. Der Umsatz habe im ersten Quartal um ein Drittel unter dem des Vorjahres gelegen. Man schreibe dicke rote Zahlen.

Immer mehr Kunden aus der Textilindustrie produzierten im Ausland. Dieser Trend habe sich durch die Wirtschaftskrise noch verstärkt. Willing hatte immer betont, dass eine Aufrechterhaltung von Teilen der Produktion in Deutschland sich für Avery Dennison nur darstellen lasse, wenn auch Kunden dort noch produzierten. Für nächste Woche bot er Gespräche über einen Sozialplan an, erst danach werde entschieden, wer gehen müsse.

"Wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen", kündigte der 2. Bevollmächtigte der IG Metall Jochen Stobbe an. Viele der Mitarbeiter hatten derweil die von der Gewerkschaft verteilten Sticker mit der Aufschrift "Ich will Arbeit" und dem Avery-Logo resigniert abgelegt. "Wenn man Jahre lang so etwas immer wieder erlebt, wird man weich gekocht", sagte Björn Kurrek.

Bürgermeister Klaus Walterscheid kommentierte: "Ich bin sehr überrascht, dass so schnell solche Dinge passieren. Vor einem Jahr hat man uns noch gesagt, die Standortzusammenlegung setzt so viele Synergieeffekte frei, dass der Standort gesichert ist." Betroffen mache ihn das insbesondere für die Mitarbeiter, die angesichts der Arbeitsmarktlage doppelt getroffen seien. Freitag hat sich die Betriebsleitung im Rathaus angesagt, um Walterscheid über die Standortpläne zu informieren, Montag wird er die Betriebsversammlung besuchen.