Ehemalige Kapellenschule — wie eine Kirche zum Knast wurde

Karin Hockamp stellte die Geschichte des Gebäudes an der Dorfstraße 13 vor.

Haßlinghausen. „Wenn Steine reden könnten. . .“, mit diesen Worten eröffnet Stadtarchivarin Karin Hockamp ihren Vortrag über die Kapellenschule an der Dorfstraße. Dort, wo heute Freiwilligenbüro und Vinothek untergebracht sind, wurde einst gepaukt und Gottesdienst gehalten. Später wohnte der Orts-Gendarm hinter diesen Mauern und zwei Gefängniszellen wurden angebaut. Geschichte und Geschichten sind mit dem Haus verbunden. So viele Besucher wollten sie hören, dass Karin Hockamp ein zweites Mal zu „Kirche, Knast und Kochideen“ eingeladen hatte. Und wieder saßen die Zuhörer dicht an dicht in der Kapellenschule.

„Man muss doch wissen, wo man wohnt“, sagt Roswitha Dannehl. Und Horst Dietrich Zimmermann ergänzt: „Mich interessiert, was so vorgefallen ist.“ Hans Neugebauer hat von Nachbarn erfahren, dass der Vortrag spannend sei. Gebannt lauschen sie den Worten von Karin Hockamp, die die Geschichte der Kapellenschule mit einem Brief beginnen lässt. Er wurde 1774 von drei Bauernschaftsdeputierten nach Schwelm geschickt. Damals gehörte Haßlinghausen noch zur Schwelmer Gemeinde. Das bedeutete, eineinhalb bis zwei Stunden Fußmarsch für den Weg zur Kirche. Zeit genug, um nachzudenken. Und auf die Idee zu kommen, wie schön es wäre, Gottesdienst daheim zu halten. Außerdem schienen die Haßlinghauser einen Hang zum Praktischen zu haben. Eine Kombination aus Kirche und Schule schwebte ihnen vor. Wie nötig letzte gebraucht wurde, zeigt die Vermutung von Karin Hockamp, dass die drei Absender beim Aufsetzen des Schreibens Hilfe in Anspruch nehmen mussten.

Wie auch immer: Schule ja, Kirche nein — schrieben die Schwelmer zurück. Und die Haßlinghauser bewiesen einen weiteren Charakterzug: Hartnäckigkeit. Ihr nächster Brief ging an den König von Preußen, Friedrich II., diesmal mit Erfolg. Im Jahr 1785 wurde der Grundstein zu dem Haus gelegt

Schon die Bauweise aus Bruchsteinen zeigte gegenüber den umliegenden Fachwerkbauten: Hier steht etwas Wichtiges. 1,10 Meter stark sind die Mauern, das Tonnengewölbe im ersten Stock ist aus Eichenholz. Weniger prächtig war das Einkommen von Lehrer Ellinghaus. Von 200 Talern Gehalt und 150 Schulkindern war im Brief der Haßlinghauser die Rede. Lehrer Ellinghaus bekam 50 Taler und unterrichtete sommers 15 bis 20 Kinder, im Winter 40 bis 50. Ihm folgte Lehrer Böcker, der mit Familie und zwei Kühen einzog. Und bald wieder weg, denn die Familie wuchs, sein Einkommen nicht. Lehrer Ammerbach hatte nur noch fünf Schüler und musste rausgeklagt werden. Dann kam Lehrer Stiepel und blieb. Er zeigte jede Menge Initiative, ordnete die Schulverhältnisse und hätte beinahe eine Glashütte gegründet, wenn die Behörden ihn nicht gehindert hätten. Und er legte sich mit dem Amtmann an, was den Schülern schulfrei und dem Lehrer einen Aufenthalt im Gefängnis einbrachte.

Viele Details und Anekdoten trug Hockamp neben den Fakten vor. So erzählte sie auch die Geschichte, wie die Schule zum Gefängnis wurde — und dass dies von innen kennenlernen konnte, wer beim Fuhrwerkfahren ohne Laterne erwischt wurde.

Die Zuhörer waren sich einig: „Es war richtig spannend.“ Eine Geschichte der Kapellenschule steht im Internet: