Jugendarbeit Kosten in der Jugendhilfe steigen weiter
Sprockhövel. · Die Stadt Sprockhövel spürt gesellschaftliche Veränderungen. Hilfsbedarf wächst.
Die Kosten für die Jugendhilfe in der Stadt Sprockhövel sind nach Angaben von Kämmerer Volker Hoven seit 2002 um 900 Prozent gestiegen. Allein 2019 benötigte die Stadt 1,4 Millionen Euro mehr als geplant. Der Grund sind gestiegene Fallzahlen in drei Bereichen der Jugendhilfe: der Kindertagespflege, den Hilfen zur Erziehung und der Inklusion behinderter Kinder.
„Die gesetzlichen Vorgaben haben sich geändert“, sagt Evelyn Müller, Geschäftsbereichsleiterin für Jugend, Schule und Soziales bei der Stadt Sprockhövel. Zum einen gebe es seit dem neunten Schulrechtsänderungsgesetz das Anrecht, dass Kinder mit einer Behinderung Regelschulen besuchen dürfen. Sie werden häufig von Integrationshelfern unterstützt, weil eine Beschulung sonst nicht möglich sei. „Das ist ein deutlicher Kostentreiber“, so Müller. Entlastung soll eine Pool-Lösung an den beiden Grundschulen Haßlinghausen und Börgersbruch bringen. Hier werden zwei Sozialpädagogen für mehrere Kinder eingesetzt.
Ein weiterer Posten, bei dem die Kosten gestiegen sind, ist die Kindertagespflege. Das ist die Betreuung von Kindern unter drei Jahren in Kleingruppen von bis zu fünf Kindern. „Diese Form wählen Eltern häufig als Alternative zur Kita“, sagt Evelyn Müller. Hier verzeichnete das Jugendamt 2019 Mehrkosten in Höhe von 161 000 Euro. „Dieser Bereich ist in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut worden“, sagt Müller. Während 2005 noch vier Anträge auf Kindertagespflege vorlagen, werden in diesem Jahr voraussichtlich 70 Kinder in dem Rahmen betreut. Der Kostenblock bleibe künftig erhalten. Ursprünglich sei man davon ausgegangen, dass der Bedarf bei einer Versorgung von 33 Prozent der Kinder gedeckt ist. „Aber die Betreuungsbedarfe der Eltern steigen. Mittlerweile sind wir bei 50 Prozent“, so Müller. Für Kinder über drei Jahren sollen noch in diesem Jahr mit einer neuen Kita in Haßlinghausen ausreichend Plätze geschaffen werden. „Die Kinderzahl ist hier aufgrund von Zuzügen deutlich gestiegen“, sagt Müller.
Im ambulanten Bereich fielen im vergangenen Jahr Mehrkosten in Höhe von 632 000 Euro an. Die Gründe für die höheren Kosten in der Jugendhilfe erklärt Evelyn Müller so: „Die Problemlagen sind komplexer geworden.“ Es gebe ein geändertes Erziehungsverhalten der Eltern. „Die Probleme reichen von mangelnder Bindung über fehlende Grenz- und Regelsetzung bis zu einer veränderten Mediennutzung von Eltern und Kindern“, sagt Evelyn Müller. In diesen Fällen werden erzieherische Hilfen eingesetzt, um Struktur in den Alltag zu bringen und den Eltern zu zeigen, wie sie reagieren können, wenn das Kind ausrastet.
2019 wurde im Bereich Hilfen für Erziehung zum Beispiel mit drei Fällen in der Heimerziehung geplant. Die Mehrkosten im Bereich der stationären Einrichtungen von 616 000 Euro sind durch einen zwischenzeitlichen Anstieg auf elf Fälle entstanden. „Das sprengt natürlich den Etat“, sagt Müller, „aber wir kalkulieren keinen Puffer ein, sondern müssen die Kosten nachfinanzieren.“ Eine Prognose sei im Bereich der Jugendhilfe kaum möglich, da es weder planbar sei, wie viele Eltern sich an das Jugendamt wenden und einen Antrag stellen, noch, wie viele Familien nach Sprockhövel ziehen, die vorher von anderen Jugendämtern betreut wurden und nun in die Zuständigkeit der Stadt fallen. Wichtig sei aber: „Eltern haben einen gesetzlichen Anspruch auf unsere Hilfe. Wenn sich Eltern an uns wenden, sind wir verpflichtet zu prüfen“, sagt Evelyn Müller.
Die Mehrkosten in Höhe von insgesamt 1,4 Millionen Euro wurden im Jahr 2019 zum größten Teil aus Mitteln der Sozialabteilung aufgefangen. Die Stadt verzeichnete hier Mehreinnahmen und hatte deutlich weniger Ausgaben bei den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Mit diesem Geld sind die Mehrkosten gedeckt worden. „Das war ein großer Schluck aus der Kanne“, sagte Volker Hoven dazu.
Sein Ziel ist es nun, im Rahmen des Stärkungspaktes für überschuldete Gemeinden die Prozesse in verschiedenen Bereichen so zu optimieren, dass gegebenenfalls Geld gespart werden kann. Klar sei: „Die Maßnahmen dürfen aber nicht zu Lasten der Jugendarbeit gehen“, so Hoven.