Polit-Talk: Die neue Neugier auf die USA

Vor gut 400 Zuhörern in der Glückauf-Halle zog ZDF-Korrespondent Klaus-Peter Siegloch auf Einladung der Sparkasse Bilanz: „100 Tage Obama“.

Sprockhövel. So voll ist die Glückauf-Halle sonst nur bei Konzerten oder Comedy. Doch es war ein Politik-Journalist, der dort am Mittwoch Abend auf Einladung der Sparkasse für ein Kunden-Publikum auf der Bühne stand.

Mehr als 400 Zuhörer im kleinen Sprockhövel - mancher deutsche Wahlkämpfer könnte davon wohl nur träumen. Aber Obama macht es möglich.

Eine Bilanz der ersten 100 Tage im Amt des neuen US-Präsidenten hatte ZDF-Amerika-Korrespondent Klaus-Peter Siegloch angekündigt und sein Publikum nach zwei Stunden Hintergrundinformation nicht enttäuscht.

Hält Obama seine Wahlversprechen? Kann er die Wirtschaftskrise besiegen und damit auch Europa helfen? "Er hat zumindest alle seinen Themen, wie Wirtschaftskrise, Wandel der Klimapolitik, Bildung für alle, Krankenversicherung für alle schon einmal angepackt", berichtet Siegloch sehr dezidiert.

Wie erfolgreich er bei diesen Mammutaufgaben, an denen viele seiner Vorgänger gescheitert sind, sein werde, bleibe abzuwarten. Aber noch helfe ihm sein Charisma, sein Pragmatismus und das große Vertrauen, das die Mehrheit der Amerikaner in ihn setze.

Ein "Reformerschrecken" gebe es noch nicht, dafür sei teilweise ein Bewusstseinswandel zu spüren. Schwere Autos etwa stünden wie Blei bei den Autohändlern. Siegloch warnte aber auch vor zu großen Erwartungen aus dem Ausland. "Obama ist kein Weltpräsident, er vertritt in erster Linie die Interessen der USA."

Sparkassenchef Dieter Gramatke überraschte besonders Sieglochs Einschätzung, dass Obama im Extremfall Atomwaffen einsetzen würde, wenn der Iran sein Atomwaffenprogramm wieder aufnehmen und Israel bedrohen sollte.

Barbara und Thorsten Warning hatte die Schilderung der Folgen der Banken- und Wirtschaftskrise sehr beeindruckt, die in Deutschland so noch kaum spürbar seien.

"Im erweiterten Bekanntenkreis kennen wir jemanden, der den Job verloren hat. Von Kurzarbeit hört man, das war es bisher, aber in den USA sieht das ja ganz anders aus", sagte Barbara Warning.

Siegloch erzählte von immer noch 14 000 Amerikanern, die täglich ihr Haus aufgeben müssten, von Millionen neuer Arbeitsloser und immer mehr Suppenküchen, um Notleidende versorgen zu können.

Er sprach aber auch vom fast unerschütterlichen Aufbruchsgeist der Amerikaner, den Obama wieder anheize. Seine Prognose: Ab Ende 2009, Anfang 2010 könne dort die Talsohle durchschritten sein.

In Europa und Deutschland werde es sicher länger dauern. "Diese Einschätzung teile ich", sagte Zuhörer Alfons Eilers. Als IG-Metall-Funktionär hörte er auch gut zu, als Siegloch von den Milliardenspritzen berichtete, mit denen Obama Wirtschaft und andere Systeme stütze.

"Kleckern statt Klotzen" - viel mehr als in Europa. Doch auch da zeige sich Obama als Pragmatiker. Siegloch: "Ein wirklich anderes Gegenmittel hat noch kein renommierter Experte genannt."