Interview Wenig Armut in Sprockhövel

Im kreisweiten Vergleich kommt die Stadt gut weg. Auch die Quote der Hartz-IV-Empfänger ist niedrig. Doch die Stadtverwaltung warnt vor Selbstzufriedenheit.

Evelyn Müller ist Leiterin des Fachbereichs Jugend und Soziales bei der Stadt Wuppertal.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Sprockhövel. Die Kreisverwaltung hat im vergangenen Monat den Armutsbericht für den Ennepe-Ruhr-Kreis vorgelegt. Die WZ unterhielt sich mit der Leiterin des Fachbereichs Jugend und Soziales der Stadtverwaltung, Evelyn Müller, zu den neuesten Zahlen.

Laut dem jüngsten Armutsbericht der Kreisverwaltung lag die Quote der Hartz-IV-Empfänger in Sprockhövel im Jahr 2014 bei 5,1 Prozent oder knapp 1300 Beziehern. Damit hat die Stadt nach Breckerfeld im Kreisvergleich die niedrigste Quote an Bedürftigen. Wie bewerten Sie diese Zahlen?

Evelyn Müller: Den Trend beobachten wir seit einigen Jahren. Wir haben schon seit langem vergleichsweise wenig Einwohner, die von Hartz-IV-Leistungen abhängig sind. Dennoch gibt es auch bei uns Armut, allerdings nicht in dem Maße wie etwa in anderen Städten des Ennepe-Ruhr-Kreises.

Warum geht es der Stadt Sprockhövel im Vergleich zu Witten, Schwelm oder Gevelsberg vergleichsweise gut?

Müller: Sprockhövel ist ein beliebtes Wohngebiet, vermögendere Leute aus den Bereichen Bochum oder Wuppertal ziehen gerne hierhin. Das sieht man auch an der Siedlungsstruktur - wir haben viele Einfamilienhäuser, Doppelhaushälften, viele Eigentumswohnungen. Und die Nachfrage nach diesen Objekten in Sprockhövel ist auch hoch. Man hat hier eine gute Wohnlage, lebt im Grünen und hat gute Autobahnanschlüsse. Das macht Sprockhövel als Wohnlage attraktiv. Und all diese Faktoren spiegeln sich eben in einer Statistik wie dem Armutsbericht.

Was kann die Stadt tun, um Armut zu verhindern und das Abrutschen von Bevölkerungsgruppen unter die Armutsgrenze auszuschließen?

Müller: Die Stadt allein kann da nur begrenzt etwas tun. Das Thema, ob Menschen in Armut abrutschen, wird auf bundespolitischer Ebene gesetzt. Armut entsteht zum Beispiel durch die Aufnahme von Minijobs, weil die Menschen keine Vollzeitjobs mehr finden und auf diese geringer bezahlten Tätigkeiten ausweichen müssen. Auch der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde ist eigentlich zu gering, um davon eine Familie zu ernähren. Ein weiteres Armutsrisiko gibt es bei alleinerziehenden Frauen, weil diese meistens nicht in der Lage, Vollzeit zu arbeiten. Zudem droht bei älteren Menschen die Altersarmut. Das sind die Rahmenbedingungen und Risiken, die wir als Kommune nicht steuern können, mit denen wir aber dann hier vor Ort konfrontiert sind.

Kann man denn als Kommune tätig werden, um dieser Entwicklung entgegenzusteuern?

Müller: Zum Beispiel, in dem wir die Hattinger Tafel unterstützen, wo Menschen sich Essen holen können. Auch in der Quartiersarbeit, in der Familien- oder in der Nachbarschaftshilfe können sinnvolle Strategien verfolgt werden.

Inwieweit hat sich das Thema „Armut“ durch den Flüchtlingsstrom des vergangenen Jahres verschärft?

Müller: Mit der Ankunft in Deutschland sind die Flüchtlinge zuerst auf die staatlichen Transferleistungen, nämlich die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, angewiesen. Insofern gelten sie nach dieser Definition als arm. Sobald sie einen festen Aufenthaltstitel haben, werden sie an die Jobcenter verwiesen. Dort haben sie dann einen Anspruch auf entsprechende Unterstützung, auch bei der Arbeitssuche. Langfristig hoffen wir aber, dass die Menschen in der Lage sind, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen und es sich von daher nur um eine vorübergehende finanzielle Unterstützung handelt.