Düsseldorf auf der Mipim Stadt setzt bei der Stadtplanung auf mehr Gemeinschaft
Cannes/Düsseldorf · Bei der Immobilienmesse Mipim in Cannes betonte OB Stephan Keller die Wichtigkeit des Dialogs bei Planungsprojekten.
Wenn eine Branche an Tempo verliert, kann dies eine Gelegenheit zur Besinnung und Änderungen von Prozessen sein. Mit Blick auf die Stadtentwicklung hatte die Rede von Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) bei der Immobilienmesse Mipim in Cannes einen Kernsatz, als es um öffentliche Orte und die Revitalisierung städtischer Flächen ging: „Wir sehen einen dringenden Bedarf darin, Düsseldorf baulich und inhaltlich attraktiv zu bespielen und übernehmen diese Verantwortung, indem wir das Thema Stadtentwicklung um die Aspekte Event, Unterhaltung und Teilhabe erweitern.“ Neue Töne bei der Leistungsschau der Städte und Regionen, die sonst eher eine Parade von Projekten und ehrgeizigen Visionen darstellt. Im vorigen Jahr etwa nahmen der Calatrava-Boulevard, von dem heute niemand weiß, ob er je gebaut wird, und weitere Kö-Glanzstücke wie das Le Coeur und das Trinkaus-Karree (beide im Bau) einen prominenten Platz im städtischen Vortrag ein.
Die Immobilienwirtschaft steckt noch immer in der Krise, das ist auf der weltweit wichtigsten Immobilienmesse Mipim in Südfrankreich deutlich zu spüren. Das Gedrängel auf den Gängen hat abgenommen und schon im Warteraum am Gate wurde vor dem Hinflug darüber diskutiert, „wann es denn wieder losgeht“, also die Rahmenbedingungen sich so verändern, dass neue Vorhaben finanzierbar werden und es ein „Go“ für sie gibt. Einige hoffen auf den Herbst, andere sprechen vom neuen Jahr. Bis dahin liegen viele Projekte auf Eis und bei Dienstleistern aller Art wird die Luft langsam dünner. Es wird auch Personal abgebaut, etwa bei Architekten. Dass die Centrum-Holding jüngst aus der Insolvenz entlassen werden konnte, wurde hingegen allgemein als positives Zeichen gewertet.
Keller verschwieg die Probleme nicht und sprach davon, dass sich die Branche noch immer in einer sehr schwierigen Phase befinde und einige Baustellen in Düsseldorf ruhten, womit vor allem das Carsch-Haus und die Adler-Brachen gemeint gewesen sein dürften. Aber vor den Bauzäunen finde weiterhin das Leben statt. „Wir setzen uns in der Landeshauptstadt für ein Gesamtkonzept eines dynamischen Standortes ein“, sagte Keller und gab damit einen Hinweis auf die Überschrift seiner Präsentation, die mit der Formulierung „Building communities. Not audiences“ (Gemeinschaften bilden, nicht Publikum) für manche Zuhörer sicher erklärungsbedürftig war.
Tatsächlich summierte Keller einen Trend, der die Gesellschaft insgesamt und die Stadtplanung im Speziellen in den letzten Jahren immer tiefer durchdrungen hat. Aus einzelnen städtebaulichen Workshops früherer Zeiten sind ganze Abfolgen unterschiedlicher Beteiligungsformate geworden, wie aktuell bei der Oper oder den Flächen nördlich der Kalkumer Schlossallee (den Siegerentwurf zeigte Keller) demonstriert wird. Die Frage, wem die Stadt gehört, stellen in Düsseldorf sonst Protestler bei in ihren Augen zu teuren Wohnprojekten. Bei der Mipim tat es Keller, um zu betonen, die Stadt wolle in das Prinzip der Gemeinschaft investieren. Nicht umsonst zeigte er gleich zu Beginn ein Luftbild der Großdemo gegen Rechtsextremismus, um diese selbstbewusste Meinungsbekundung einer bürgerlichen Gesellschaft mit positiven Überzeugungen zu verbinden. Am Anfang und Ende seiner in perfektem Englisch gehaltenen Rede bezog er sich auf Architekt Daniel Libeskind, der Architektur als optimistische Kunst bezeichnet und mit Zukunftsglaube kombiniert habe.
Der Gemeinschaftsgedanke ist in der flächenarmen Stadt Düsseldorf auch notwendig, um Akzeptanz zu erzeugen. Keller ging unter dem Zwischentitel „mixed use“ auf durchmischte neue Quartiere ein und sprach dabei die Wohnungsbauoffensive an, die bis 2030 in Düsseldorf 8000 Wohneinheiten bringen soll. Integrierte Nutzungskonzepte seien vielversprechend, um zeitgemäße und effiziente Wohn- und Arbeitsorte zu gestalten. Dazu passte, dass auf dem Screen auch das „New Heart on the Block“ am Kennedydamm von „die developer“ zu sehen war. Die beiden Hochhäuser bieten Durchmischung, lösen aber auch Skepsis aus, wie gerade erst bei einer Veranstaltung zu hören war. Der Grad der Verschattung ist zu eruieren und die von Keller allgemein angesprochene Qualität des öffentlichen Raums wird darüber entscheiden, ob das Vorhaben angenommen wird.
Die Stadt stellt seit 2021 jährlich 60 Millionen Euro für den Klimaschutz zur Verfügung. „Auch für Unternehmen ist Klimaschutz zu einem entscheidenden Faktor bei der Standortwahl geworden“, so Keller. Die Baubranche profitiert davon, dass viele Bestandsgebäude jetzt angepackt und in diesem Sinne ertüchtigt werden. Die Zahl dieser Aufträge hat dramatisch zugenommen, bestätigt beispielsweise Architekt Caspar Schmitz-Morkramer. Gebäude werden zudem umgenutzt, wie die Bilder des Wohnprojekts Cocoon an der Graf-Recke-Straße zeigten. Dort saßen zuvor Unternehmensberater in ihren Büros.