Auch neuer Roman von Mithu Sanyal wird uraufgeführt Emil, Oscar, Faust und Moby Dick
Düsseldorf · Das Schauspielhaus präsentiert seinen Spielplan – unter anderem mit einer Premiere von Starregisseur Robert Wilson. Mehrere historische Stoffe stehen in moderner Fassung auf dem Programm.
Dass Generalintendant Wilfried Schulz und mit ihm die Leitungsriege des Schauspielhauses das Programm der nächsten Saison maximal entspannt präsentieren, hat einen einfachen Grund: Künftige Spielpläne sind immer ein großer Sack voller Versprechungen – mit aktuell nicht widerlegbaren Ankündigungen, was es nach den Sommerferien Sehenswertes auf den Bühnen zu erleben gibt. Wobei die Düsseldorfer Versprechungen diesmal nicht mickrig sind. Und die vielleicht größte erwartet das Publikum schon zur Spielzeiteröffnung.
Großmeisterliches
Der Theater- und Lichtperfektionist Robert Wilson zählt zu den gefragtesten Theaterregisseuren der Welt. Nach seinen Düsseldorfer Arbeiten von „Sandmann“, „Dschungelbuch“ und „Dorian“ nennt man ihn darum stolz und gerne (wenn auch hinter vorgehaltener Hand) eine Art Hausregisseur. Zumal der inzwischen 82-jährige US-Amerikaner diesmal sogar die Spielzeit in Düsseldorf eröffnen wird – mit seiner Sicht auf „Moby Dick“. Das wird weniger eine Abenteuer- als vielmehr eine Menschheitsgeschichte sein, wie auch Herman Melvilles Roman gelesen wurde. Dessen Werk zählt zu den drei großen Romanen des 19. Jahrhunderts, die eine mentale Zeitenwende beschreiben – und die allesamt scheitern: „Frankenstein“ erzählt vom Versuch des Menschen, Schöpfer zu sein, „Dracula“ vom Bemühen, das Dämonische aus der Welt zu schaffen – und schließlich „Moby Dick“ vom Kampf, die Natur zu bezwingen. Wilsons Moby Dick verspricht etwas Großes und droht den Sommer bis zur Premiere am 7. September ausnahmsweise mal unerträglich lang werden zu lassen.
So aktuell ist Altes
Im neuen Spielplan finden sich überraschend viele Stoffe aus den 1930er- und 40er-Jahren. Überraschend deshalb, weil es kein Programm ist, sondern sich bei der Planung irgendwie ergeben hat. So wird das im Februar 1947 als Hörspiel uraufgeführte Rückkehrerdrama „Draußen vor der Tür“ am 5. Oktober zu sehen sein. Allerdings will man mit dem Stück von Wolfgang Borchert den Blick auf die Gesellschaft richten, wie sie die Aufnahme eines Rückkehrers „managt“. Am 17. November wird das Familienstück „Emil und die Detektive“ gezeigt. Der Klassiker von Erich Kästner soll bedeutsam werden als erster großer emanzipatorischer Jugendroman, so Chefdramaturg Robert Koall.
André Kaczmarczyk wird im März 2025 „Die Märchen des Oscar Wilde erzählt im Zuchthaus zu Reading“ bringen mit Texten, die sich aus den Prozessprotokollen speisen, und im April kommt Hans Falladas „Jeder stirbt für sich allen“ zur Aufführung, mit einer Parabel, wie man auch in unmenschlichen Zeiten seine Menschlichkeit bewahren kann.
Auch Bertolt Brecht wird wieder auf die Bühne der Landeshauptstadt gebracht – im Mai 2025 mit der „Heiligen Johanna der Schlachthöfe“. Klaus Manns „Mephisto“ wird am 12. Oktober in einer wohl freien Interpretation in der Regie von Jan Bonny gezeigt, worauf schon der Titel andeutet: „Man muss sich Mephisto als einen glücklichen Menschen vorstellen“. Schließlich findet sich in der Reihe der modernen Klassiker noch Ibsens „Nora“ wieder, die am 9. November Premiere feiert.
Klassisch, praktisch, gut
Der neue Spielplan stromert durch Stoffe vieler Jahrhunderte, bis auf die Antike ist fast alles vertreten. Dass in Düsseldorf Geld und Reichtum eine große Rolle spielen, ermunterte die Theatermacher zur Aufnahme von Molières Komödie „Der Geizige“ am 2. November in der Regie von Bernadette Sonnenbichler.
Einfach uraufgeführt
Die Zahl der Uraufführungen hält sich im neuen Spielplan in Grenzen, doch seien wir ehrlich: Dieses Etikett sagt wenig über die Qualität des Stücks noch der Inszenierung aus. Eine große Wundertüte wird also „Astrologie“ im März 2025 nach einer Graphic Novel von Liv Strömquist sein sowie „Antichristie“ im Juni 2025 der Düsseldorfer Autorin Mithu Sanyal. Diese Inszenierung hüllt sich derzeit in einen besonders dichten Nebel, da selbst die Romanvorlage noch gar nicht fertig ist. So viel steht bislang fest: Nach ihrem Erfolg von „Identitti“ am Schauspielhaus griff man schnell beim zweiten Werk zu. Zum anderen wird es den Verlautbarungen um Agatha Christie gehen und die Lesart ihrer Krimis in unserer Gegenwart.
Sein und Schein
Ohne Shakespeare wäre kein Spielplan wirklich dramatisch. In Düsseldorf soll mit „König Lear“ die Shakespeare-Trilogie (nach „Hamlet“ und zuletzt „Richard III.“) abgeschlossen werden. Außerdem wird „Romeo und Julia“ zu sehen sein, frei nach Shakespeare und aufgeführt vom Stadtkollektiv. Die große Liebesromanze soll es nicht werden, dafür aber den Zwist zweier Herrscherhäuser spiegeln, so Birgit Lengers, die nach dem Fortgang von Bassam Ghazi in wenigen Wochen die künstlerische Leitung der früheren Bürgerbühne allein ausüben wird.
Ausnahme als Zustand
Dies wird das Motto vom Stadtkollektiv in der neuen Spielzeit sein. Weil im Jubiläumsjahr niemand an Kafka wirklich vorbeikommt, wird im Dezember „Die Verwandlung“ zu sehen sein, allerdings mit der Frage, wie es sich anfühlt, seinen eigenen Körper monströs zu finden; es geht also um „Bodyshaming“. Aktuell auch ein zweites Projekt, das „Waffennarren“ heißt und mit einem Theaterparcours der Faszination von Waffen und Kriegsspielzeug auf die Spur kommen will.
Großes Theater für Kleine
Das soll die letzte Spielzeit fürs Junge Schauspiel sein! Aber nur in der Spielstätte an der Münsterstraße. Danach soll es dann wirklich ins Central am Hauptbahnhof mit seinen zwei Bühnen gehen, die während des Umbaus am Gründgensplatz gute Dienste als Ausweichspielstätte leisteten. Das neue Programm kündet schon vom Aufbruch mit „Faust“ ab 14 und in der noch nie da gewesenen frechen Version von „Faust 1+2+3“.
Mächtig gespannt darf man sein auf „Wolf“, auf die Dramatisierung des ersten Jugendromans des Deutschen Buchpreisträgers Sasa Stanisic. Das Buch ist bereits für den Jugendliteraturpreis 2024 nominiert. Mit Martin Baltscheit wird ein weiterer Düsseldorfer Autor mit einem brandheißen Thema für alle kleinen Morgenmuffel vertreten sein. Der Name des Stücks spricht Bände: „Bin gleich fertig!“ Ein Stück für den Nachwuchs an der Basis: ab zwei Jahren!