Schwieriger Einstieg in den Arbeitsmarkt Supermarkt zeigt, wie Inklusion gelingen kann

Neersen · Menschen mit Behinderung haben meist genauso oft hohe berufliche Kompetenzen und Qualifikationen wie Menschen ohne Behinderung. Dennoch ist ihr Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt oft schwieriger. Edeka Zielke zeigt, wie es ohne großen Aufwand gelingen kann.

Wera Windmüller (Agentur für Arbeit Krefeld) und Matthias Elvenkamp (re.), Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Krefeld/Kreis Viersen, mit Carsten Zielke im Edeka-Markt Zielke in Neersen.

Foto: Emily Senf

Vor sieben Jahren hat Carsten Zielke die erste Stelle in einem seiner Edeka-Märkte mit einem Menschen mit Behinderung besetzt. Der Mann wurde Hausmeister. Seine Entscheidung hat Zielke nie bereut – im Gegenteil: Heute arbeiten sechs weitere Menschen mit Behinderung in seinen vier Supermärkten in Neersen, Willich, Viersen und Dülken. „Sie haben absolute Loyalität und ein höheres Verantwortungsbewusstsein“, sagt Zielke. Die sechs Männer und eine Frau sind zwischen Anfang 20 und 40 Jahre alt, auch der Hausmeister ist noch dabei. Der Chef zeigt sich mit ihrer Arbeitsleistung sehr zufrieden, sagt aber auch ganz klar: „Für die Hausmeisterstelle war im freien Markt niemand zu finden, die waren sich alle zu fein dafür, den Hof zu fegen.“

Menschen mit Behinderung verfügen in der Regel genauso oft über hohe berufliche Kompetenzen und Qualifikationen wie Menschen ohne Behinderung. Dennoch ist ihr Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt oft schwieriger. Bei der Bundesagentur für Arbeit läuft deswegen vom 25. November bis zum 3. Dezember eine bundesweite Aktionswoche. Die Arbeitsagenturen werben etwa in Gesprächen mit Arbeitgebern für mehr Inklusion im Arbeitsleben oder stellen in diesem Bereich besonders hervorzuhebende Arbeitgeber vor – wie Edeka Zielke, berichtet Wera Windmüller, bei der Agentur für Arbeit Krefeld Expertin für die Berufseingliederung von Menschen mit Behinderung.

Wie Zielke berichtet, trat einst die Elterninitiative Kindertraum an ihn heran, woraus sich alles weitere entwickelte. Er sieht, dass viele Arbeitgeber Respekt davor haben, einen Menschen mit Behinderung einzustellen, setzt dem aber entgegen: „Nicht erst dran denken, was alles schlecht laufen könnte, sondern sich auf das Positive konzentrieren.“ So könne etwa ein Mitarbeiter mit Autismus seine vermeintlich negative Eigenschaft, bei Dingen sehr genau zu sein, positiv ausleben: Er räume die Waren äußerst sorgsam in die Regale, „bei den Gläsern sind alle Schilder genauestens nach vorne gerichtet“, berichtet Zielke.

Viel Aufwand vonseiten des Arbeitgebers brauche es dabei meist gar nicht: Etwa für den Mitarbeiter mit Rollstuhl, der an der Kasse eingesetzt ist, musste nicht einmal umgebaut werden, sagt Zielke. Der Mann setzt sich auf den üblichen Platz in der Kabine, der Rollstuhl steht außerhalb. Und bei den Kollegen ohne Behinderung seien etwaige Vorurteile durch die gute Arbeitsleistung der Menschen mit Behinderung direkt verschwunden, Beschwerden von Kunden habe es nie gegeben. Zielke: „Sie haben schnell Respekt bekommen.“ Da gelte es eher für ihn an mancher Stelle, Grenzen zu finden, von den Mitarbeitenden nicht zu viel zu fordern.

Der Einstieg von Menschen mit Behinderung in den Beruf wird von der Arbeitsagentur umfangreich vorbereitet, etwa mit Schulungen und Weiterbildungen, und in den ersten Monaten im Beruf je nach Qualifikation und Schwere der Behinderung gefördert. „Unser Ziel ist es, Menschen mit Behinderung nach der Reha-Ausbildung innerhalb von sechs Monaten zu integrieren“, sagt Windmüller. Dabei handelt es sich aber um Menschen unter 25 Jahre. „Viele unserer Kunden sind älter und können etwa nicht mehr schwer heben“, sagt Windmüller. „Wer über 50 ist, wartet auch mal anderthalb Jahre.“

Zielke hebt einen weiteren positiven Aspekt seiner Mitarbeitenden mit Behinderung hervor: „Sie sind selten bis gar nicht krank.“ Windmüller ergänzt: „Das sagt auch die Statistik.“ Die Menschen seien nach langer Arbeitsplatzsuche, zahlreichen Bewerbungen und vielen Absagen häufig sehr dankbar, eine Stelle gefunden zu haben. Windmüller: „Häufig ist eine Bindung zum Arbeitgeber entstanden, man fühlt sich wertgeschätzt. Dann geht man gerne zur Arbeit. Diese Leute bleiben auch häufig und sehen sich nicht nach anderen Möglichkeiten um.“

Grundsätzlich sei der Kontakt zu Arbeitgebern in dem Bereich gut, sagt Windmüller, „es gibt auch welche, die verhalten sind, weil sie denken, dass man Schwerbehinderte nicht mal eben kündigen kann, aber das geht mit niemandem einfach so.“ Die Probezeit sei mit sechs Monaten die gleiche wie bei Menschen ohne Behinderung, und Fehlverhalten wie etwa Unpünktlichkeit „hat die gleichen Konsequenzen wie bei allen anderen auch“.