Tatort-Vorschau Jan Josef Liefers wieder zurück in seinem Metier
Köln · Es geht in diesem Münster-Fall um polyamore Beziehungen, Eifersucht und Homophobie. Doch der Tatort wird seinem Episodentitel „Rhythm and Love“ nicht wirklich gerecht.
Es ist ja eigentlich eine Binsenweisheit, aber aus gegebenem Anlass sei darauf hingewiesen: Schauspieler sind im echten Leben nicht böse, nur weil sie im Film einen Bösewicht spielen, nicht tollpatschig, nur weil sie die Slapstick-Szenen perfekt beherrschen, und nicht klug, nur weil sie ein wissenschaftliches Genie verkörpern. Manche Menschen verwechseln das. Populäre Schauspieler, die in der Öffentlichkeit angesprochen werden, können ein Lied davon singen. Die Medien sind daran übrigens nicht ganz unschuldig, weil in Interviews gerne nach den Übereinstimmungen zwischen Rolle und Realität gebohrt wird. Und Prominente versprechen ohnehin Quote, Klicks und Auflage. Was sich wiederum Schauspieler gerne zunutze machen, wie auch die #allesdichtmachen-Kampagne belegt.
Am Sonntag also tritt Jan Josef Liefers, der in den vergangenen Tagen allgegenwärtig war und so etwas wie die öffentliche Stimme der umstrittenen Aktion geworden ist, wieder in seinem Beruf auf, als Schauspieler und noch dazu in seiner populärsten Rolle. Denn der „Tatort“ ist die beliebteste Krimireihe im deutschen Fernsehen und die Fälle aus Münster wiederum die beliebtesten im „Tatort“. Sie erzielen regelmäßig Einschaltquoten, auf die es sonst nur der Fußball bringt. Es wäre naiv anzunehmen, dass es bei der Planung von #allesdichtmachen nicht auch darum gegangen wäre, möglichst populäre Namen für die Aktion zu gewinnen.
Dafür spricht gerade die auffällig hohe Beteiligung von „Tatort“-Schauspieler. Das Spiel, in dem die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen, wird halt von allen Seiten gerne gespielt.
Die Popularität einer Figur wie Karl-Friedrich Boerne, den Liefers im „Tatort“ aus Münster verkörpert, wäre demnach eine Art Vehikel für die Kampagne gegen die Corona-Politik und gegen die vermeintlich einseitige Berichterstattung der Medien. Im Grunde haben das – ganz ironiefrei – Liefers und der arme Boerne wirklich nicht verdient. Eine große Charakterrolle ist dieser unsympathische Professor zwar nicht gerade, doch Liefers macht aus dem Gerichtsmediziner eben keine Knallcharge. Er spielt Boerne mit einiger Hingabe als tragikomischen Helden, der das Publikum humorvoll daran erinnert, dass auch die Hochtrabendsten zu scheitern pflegen – womit das Publikum gleichzeitig mit dem eigenen Scheitern versöhnt werden soll. Deshalb können wir Zuschauer diesen narzisstischen Angeber und hochnäsigen Schnösel dann doch ein bisschen lieb haben.
Im aktuellen Film gibt es eine schöne Szene, in der sich Boerne und Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) in der Gerichtsmedizin fröhlich betrinken. Denn eigentlich haben sie bis dahin nichts auf die Reihe bekommen. Sie sind „zwei Blindgänger im selben Krieg“, wie Boerne gewohnt martialisch lallt, oder „zwei Nieten an der selben Hose“, wie der bodenständige St.-Pauli-Fan Thiel ergänzt. Ja, auch die Selbstironie des Münsteraner „Tatort“-Teams hätte man sich vielleicht abschauen können.
Insgesamt hält der Film aber nicht, was der Episoden-Titel „Rhythm and Love“ verspricht. Gerockt wird hier eher wenig. Nur Professor Boerne trommelt ein bisschen, in der Hoffnung, im Kurs „Rhythm and Love“ der Kommune Erlenhof folge auf den Rhythmus tatsächlich die freie Liebe, die hier offenbar praktiziert wird. Es geht in diesem Münster-Fall um polyamore Beziehungen, Eifersucht und Homophobie. Das Opfer: Maik Koslowski, der ein überaus reiches Liebesleben hatte und zu Beginn nackt über den Hof stolziert, dann aber tot im Auwald gefunden wird. Die Kommune wirkt leider nicht sehr lebendig, eher wie ein müder Hippie-Abklatsch. Natürlich macht dort Thiels Vater, der Taxi-Dealer, gute Geschäfte. Und zwei, ihre wolligen Hälse reckenden Alpakas gibt es auch noch, aber die großen Leidenschaften, von denen viel die Rede ist, kommen nur lauwarm rüber. Daran können nicht einmal Nikolai Kinski als geheimnisvoller Priester und August Wittgenstein als bisexueller Pressesprecher der Polizei etwas ändern.
Schön immerhin, dass Silke Haller (Christine Urspruch), Boernes rechte Hand, und Thiels neuer Assistent Mirko Schrader (Björn Meyer) mal ein größeres Gewicht bekommen. Die Frage, ob man Fehler eingestehen und Lügen einräumen soll, führt sie zusammen. Boerne hat es dagegen nicht so mit Selbstzweifel. Aber der Professor ist dennoch in heller Aufregung, denn er fürchtet um seinen Ruf: Eine Kommission untersucht Plagiatsvorwürfe, die nach einem dilettantisch wirkenden Showdown lapidar aufgelöst werden. Wenn man so will, finden hier Kampagnen-Realität und „Tatort“-Fiktion doch zueinander: Es hat schon Überzeugenderes gegeben.
„Tatort – Rhythm and Love“, ARD, 2. Mai, 20.15 Uhr