Tischtennis Der Titel bleibt in der Borussia-Familie

Tischtennis-Europameister Dang Qiu dachte in der Stunde seines Triumphes auch an seinen Vorgänger und Klubkameraden Timo Boll.

 Dang Qiu jubelt in der Rudi-Sedlmayer-Halle in München.

Dang Qiu jubelt in der Rudi-Sedlmayer-Halle in München.

Foto: dpa/Marius Becker

Der Titel bleibt in der Familie, in der Borussia-Familie. Zwar konnte der Tischtennis-Einzeleuropameister von 2021, Timo Boll, seinen Titel im Jahr 2022 nicht verteidigen, doch dafür schaffte Klubkamerad Dang Qiu den Sprung auf den kontinentalen Thron. Auf den Weg dahin hatte der 25-Jährige auch Boll bezwungen. „Wenn man Mr. Europameisterschaften Timo Boll aus dem Turnier wirft, muss man den Titel auch gewinnen“, meinte Qiu augenzwinkernd. Dass es anschließend tatsächlich zum Titel reichte, verblüffte ihn selbst. „Jetzt bin ich erstmal sprachlos. Ich kann es immer noch gar nicht fassen“, sagte Qiu direkt im Anschluss des Finales, das er mit 4:1 (10:12, 14:12, 11:8, 11:9, 11:2) Sätzen gegen den Weltranglistenachten Darko Jorgic (Slowenien) gewonnen hatte.

Das europäische Gold für den Borussen war eine Mischung aus überraschend und erwartet. „Insider wussten, dass man Qiu auf der Liste haben musste, genau wie sechs sieben andere Spieler auch“, meint Borussia-Manager Andreas Preuß. „Aber bei so einer EM muss man das auch erst einmal machen, gerade weil es Dangs erste EM als Einzelspieler war und die meisten anderen deshalb mehr Erfahrung auf diesem Niveau haben.“

Diese Erfahrung nutzte aber auch Boll nichts. Dan Qius Spielkultur war auch für den Rekord-Europameister zu viel des Guten. Wie man Boll kennt, präsentierte er sich als fairer Sportsmann. „Timo hat mir noch ganz herzlich per Whatsapp zum Einzug ins Finale gratuliert und mir viel Glück dafür gewünscht“, erzählte Dang vor dem Endspiel. „Ich glaube, er fiebert auch jetzt für mich mit und drückt mir die Daumen. Ich hoffe, ich kann seinen Titel verteidigen – für ihn, für uns.“

Das gelang und ganz Tischtennis-Düsseldorf, ja ganz Tischtennis-Deutschland, freut sich über den neuen Champion. „Ich bin unglaublich Stolz auf Dang. Er hat in den vergangenen Monaten eine Entwicklung zu einem absoluten Weltklassespieler genommen. Der Europameistertitel ist die Krönung dieser Entwicklung“, jubelt Borussia-Cheftrainer Danny Heister. „Wenn man sieht, welche außergewöhnlichen Leistungen er gezeigt und wen er alles geschlagen hat, dann ist diese Goldmedaille absolut verdient.“

Dass es Gold werden würde, wusste Dang erst kurz vor Ende der Partie. „Sicher, dass ich gewinnen würde, war ich vielleicht bei 9:2 im Fünften. Das hört sich seltsam an, ist aber tatsächlich so“, erläutert Dang. „Nachdem ich den zweiten Satz gewonnen hatte, habe ich gemerkt, dass das Momentum so ein bisschen auf meiner Seite lag. Die Zuschauer waren sowieso auf meiner Seite. Im fünften Satz habe ich gemerkt, dass ich eine ziemlich gute Kontrolle über das Spiel habe. Ein Wunschkonzert war es aber nicht, schließlich hatte ich einen Gegner, der gehörig mitgeredet hat.“

Die Belastung aus München hat bei Qiu körperliche Spuren hinterlassen. „Er ist krank, hat Fieber und ist zu seiner Familie in den Süden gefahren“, verrät Preuß. Klar, dass Qiu auch mental runter kommen muss. „Das Beste, was ich für mich tun kann, ist erst mal zwei, drei Tage ruhig zu machen und mich von dem ganzen Turnier zu erholen“, gesteht Qiu.

Andere haben hingegen den Blick schon in die nähere Zukunft gerichtet. „Dieser Titel gibt ihm ganz klar mehr Selbstvertrauen. Europameister im eigenen Land zu werden, ist etwas ganz Besonderes“, urteilt Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf. „Wie ich ihn kenne, wird er weiter akribisch arbeiten und seine nächsten Ziele verfolgen. 2024 bei Olympia will er dabei sein, aber das wollen andere auch.“

Wie sein Heimverein Borussia Düsseldorf seine Europameister feiert – und damit hat der europäische Topklub nicht nur wegen Rekord-Champion Timo Boll ausreichend Erfahrung – weiß er noch gar nicht. „Darüber habe ich mit Timo noch nicht gesprochen“, so Qiu. „Ich lasse es jetzt einfach auf mich zukommen.“