Attacken auf Gerichtsvollzieher Übergriffe auf Justiz-Mitarbeiter in NRW: SPD attackiert Minister Biesenbach
Düssedorf · Ein Vorfall in NRW wird immer mehr zum Politikum. Dabei ist eine Beamtin schwer verletzt worden.
Ein Vorfall vom 13. November vergangenen Jahres in Bochum wird immer mehr zum Politikum. Damals hatte eine Gerichtsvollzieherin bei einer als gewalttätig bekannten Frau Schulden eintreiben sollen. Die Beamtin wusste aber nichts von der Gefährlichkeit der Frau, die ein Jahr zuvor gegen eine ihrer Kolleginnen übergriffig geworden war. Und so wurde sie so schwer verletzt, dass sie noch bis mindestens Anfang März dienstunfähig ist.
Sven Wolf, justizpolitischer Sprecher der SPD im Landtag, hatte dies schon in den vergangenen Wochen zum Anlass genommen, Justizminister Peter Biesenbach (CDU) zu attackieren. Und setzte das am Mittwoch auf gleich zwei Plattformen fort: Zum einen auf einer Pressekonferenz, auf der er über den von der SPD initiierten „ersten landesweiten Sicherheitsgipfel Justiz“ berichtete und dabei Biesenbach vorwarf, dass er bei dem Thema seine Führungsaufgabe vernachlässige. Und dann noch mal im Rechtsausschuss des Landtags, wo er den Justizminister mit Fragen in die Ecke zu drängen suchte, was dieser denn nun zu tun gedenke.
Bei dem Sicherheitsgipfel der SPD hätten Teilnehmer aus allen Bereichen der Justiz eindrucksvoll ihre Erfahrungen mit Gewalt geschildert, fasste Wolf zusammen. Da gehe es um schwere Beleidigungen, Bedrohungen, Gewaltdelikte, sexuelle Belästigung, Stalking oder Hasskampagnen in sozialen Netzwerken.
Wolf fordert nun einen Masterplan Sicherheit. Es müsse einen zentralen Ansprechpartner für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst geben. Dieser müsse rund um die Uhr erreichbar sein. Gewaltopfer müssten sich direkt an ihn wenden können, ohne abwarten zu müssen, dass der eigene Behördenchef sich der Sache annimmt. Der Ansprechpartner solle auch beim Erstellen der Strafanzeigen helfen. Die Aus- und Fortbildung müsse verbessert werden: Fragen, wie man sich verteidigen könne, wie man eine Situation deeskaliere. Wichtig sei dabei auch die Fortbildung der Behördenleiter, damit diese den Betroffenen effektiv helfen.
Was eine Gerichtsvollzieherin
im Berufsalltag erlebt
Die Mülheimer Gerichtsvollzieherin Astrid Petersen bestätigt, dass sie und ihre Kollegen immer wieder mit Übergriffen zu kämpfen haben. Als sie einmal bei einem Schuldner den Stromzähler wegnehmen sollte, habe dieser gedroht: „Wenn Sie das machen, dann trete ich Ihnen das Gesicht weg.“ Genau das habe der Mann dann (glücklicherweise erfolglos) versucht. Petersen bestätigt, dass es ein großes Problem sei, nach solchen Vorfällen nicht direkt einen Ansprechpartner zu haben, die Hilfe dauere gerade bei traumatisierten Opfern zu lange, wenn diese nur über den Dienstvorgesetzten erreicht werden könne.
„Jeden Tag gibt es Beleidigungen und Attacken gegen Gerichtsvollzieher“, sagt auch Frank Neuhaus vom Deutschen Gerichtsvollzieherbund NRW. Er und seine 950 Kollegen im Land wüssten aber oftmals nichts über eine Gefährlichkeit der Menschen, die sie aufsuchen. Sie seien dann in der Regel auf sich gestellt und dürften sich auch nicht bewaffnen. Für eine Polizei-Begleitung müsse eine konkrete Bedrohung geltend gemacht werden. Oft sei den Gerichtsvollziehern die Gefährlichkeit des Schuldners aber gar nicht bekannt. Da wäre eine Datenbank, über die man sich informieren könne, schon sehr hilfreich, ergänzt seine Kollegin Petersen. „So aber rennen wir immer wieder ins Ungewisse.“
Was er denn angesichts der bestehenden Missstände tun wolle, fragt SPD-Mann Wolf kurz darauf Justizminister Biesenbach im Rechtsausschuss. Der nennt es nicht so, kann aber auch auf eine Art eigenen Sicherheitsgipfel verweisen, den er initiiert habe. Vor knapp einer Woche habe er einen intensiven Gedankenaustausch mit dem Gerichtsvollzieherbund gehabt. Dabei seien viele Ideen erörtert worden.
So sollen die Vordrucke für Vollstreckungsaufträge um einen Abschnitt ergänzt werden, wo etwas über eine Gefährlichkeit des Schuldners steht. Auch habe man darüber gesprochen, ob Gerichtsvollzieher Einblick in Dateien wie etwa das Bundeszentralregister (dort sind Vorstrafen vermerkt) nehmen könnten. Allerdings gebe es hier verfassungsrechtliche Hürden. Auch müsse man überlegen, ob die Gerichtsvollzieher selbst eine entsprechende Datei über eine potenzielle Gefährlichkeit der Schuldner anlegen können. Es solle technische Hilfsmittel zu einer schnellen Alarmierung im Bedrohungsfall geben.
„Wir nehmen das Thema ernst“, sagt Biesenbach, da brauche es keinen Anlass, dass andere „laut Veranstaltungen machen“, sagt der Minister mit Blick auf den Sicherheitsgipfel der SPD. Und gibt den Sozialdemokraten gleich noch einen mit: die Akten des zuvor vom heutigen Fraktionschef Thomas Kutschaty (SPD) geführten Justizministeriums gäben kaum etwas darüber her, dass dieser sich in seiner Amtszeit bei dem Thema besonders engagiert habe.