Hengesbach Gallery Analoge Remakes der digitalen Jugendkultur
Björn Siebert zeigt seine großformatigen Kunstwerke in der Hengesbach Gallery.
Am kompliziertesten sind die Elemente, das Wasser, das sich nur schwer beherrschen lässt. Die nur bedingt mögliche Kontrolle ist aber auch reizvolle Herausforderung. Fotokünstler Björn Siebert reinszeniert Fotos, die andere gemacht haben. Nimmt sie auseinander, rekonstruiert sie in bewusst auch so genannten „Remakes“, die neue Einblicke gewähren. Fragen aufwerfen, die nicht beantwortet werden. Bis 22. März zeigt der 40-jährige Künstler sechs aktuelle Arbeiten bei Hengesbach, seine dritte Einzelausstellung in der Galerie an der Vogelsangstraße.
In den Nuller Jahren kam die Bilderflut. Private Fotos vornehmlich junger Menschen fanden sich zuhauf im Netz. Fotostudent Siebert faszinierten diese leicht zugänglichen Zeugnisse einer Jugendkultur aus der ganzen Welt. Er fragte sich, was passieren würde, wenn er diese Bilder nachkonstruieren würde. Er erkannte, dass es nicht um Nachahmung gehen konnte, sondern um die kommentierende, museal gerechte Aufarbeitung der digitalen, kleinen Massenprodukte, um wenige große Kunstwerke, die dennoch den amateurhaften Kern in der Aussage behalten würden. Die er mit der Großbildkamera analog herstellte, weil sich „digital falsch anfühlt“. Das Original fällt weg, Siebert verweigert es bewusst, es geht ihm nicht um „langweilige Bildervergleiche“: „So entsteht eine Sehnsucht, weil man das Bild nicht ganz versteht.“ Der Betrachter kann seine eigenen Assoziationen in das Foto hineinladen.
Bilderflut wird analysiert, rekonstruiert und kommentiert
Am Anfang steht das Internet, in dem er an Bildern hängen bleibt, die er nicht sucht, die ihm aber auffallen. Bilder, die er speichert, um sie irgendwann zu bearbeiten. Er analysiert das Original, bis er es versteht, weiß, was er braucht, um es zu rekonstruieren. Dann beginnt die Recherche nach Requisiten, die er meist über das Internet findet. Komplizierter gestaltet sich die Suche nach den zu fotografierenden Menschen und nach dem passenden Ort, der in der Nähe von Leipzig sein muss, wo er lebt und arbeitet. „Mehr als sechs Bilder im Jahr sind da nicht zu schaffen.“
Die junge Frau im mit US-Sternen besetzten Bikini kehrt den Rücken zu, malt mit der Nebelkerze in der Hand kunstvolle, hellblaue Rauchwolken vor sich in den Nachthimmel. „Pyromancer“ heißt das 143 mal 188 Zentimeter große Bild, weil Siebert (englische) Wortspiele liebt und Namen aus der Popwelt, was den Ausstellungstitel „Near to the wild Heart of Life“ erklärt, der sich bewusst an das Album eines kanadischen Rock Duos anlehne und gut zu den drei Menschenbildern passe, die sämtlich jugendliche Rituale in der Nacht zeigen. Siebert hat erstmals thematische Gruppen zusammengestellt.
Eine gute Entscheidung, dem weitere Nachtbilder folgen könnten, findet er. Weitere drei Bilder bei Hengesbach sind Stillleben, die Vergänglichkeit inszenieren. Eine tote Katze oder der Rest eines Absperrbands, die im klaren, den Blick auf den Grund freigebenden Wasser schwimmen. Schwierige, viel Geduld fordernde Aufnahmen - aber Björn Siebert liebt die Herausforderung.
» „Near to th wild Heart of Life“ ist bis 22. März, di - fr, 14 bis 18 Uhr, in der Hengesbach Gallery, Vogelsangstraße 20, zu sehen. Führung: Sonntag, 24. Februar, 11.30 Uhr.