Vandalismus in Kirchen Sakrale Gebäude – unwürdiges Verhalten

Köln/Düsseldorf. · Die Distanz zwischen Bürgern und Kirche führt zu Vandalismus in Gotteshäusern.

Oftmals werden kleine Figuren am Kölner Dom zerstört.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Die Außenfassade des Kölner Doms ist mit Tausenden von Figuren geschmückt – überlebensgroßen und fingerkleinen. Putzig sind die winzigen Dämonen über den Eingangsportalen. Bei vielen fehlt allerdings der Kopf: „Es ist vorgekommen, dass Touristen die mit ihren Regenschirmen abgeschlagen haben, um ein Andenken mit nach Hause zu nehmen“, berichtet Dombaumeister Peter Füssenich. Damit kann dann die monatelange Arbeit eines Steinmetzen zunichte gemacht sein: „Das tut schon in der Seele weh.“

Vandalismus ist für die größte und bekannteste deutsche Kathedrale ein Riesenproblem. Doch auch kleine Kirchen bleiben nicht unbedingt verschont: In Großholbach im Westerwald rissen Unbekannte im Mai in der katholischen Dreifaltigkeitskirche eine Jesus-Figur vom Kreuz und brannten die Augen an und im Bistum Mainz musste erst am Donnerstag eine Kirche wegen Fäkalien im Weihwasser geschlossen werden.

Häufiger als solch blinde Zerstörungswut ist Diebstahl. So entwendeten Unbekannte im Mai ein Altarkreuz aus Bronze aus der Kaiserslauterner Stiftskirche. Der Fall sei einer von mehr als 100 angezeigten Diebstählen, die jedes Jahr in Kirchen in Rheinland-Pfalz begangen würden, teilte die Polizei mit. Sie spricht von „äußerst geringen Fallzahlen“. Die Täter hätten es fast ausnahmslos auf Metall abgesehen. Der ideelle Schaden sei wohl mitunter höher als der materielle, etwa bei Sakralgegenständen mit großer emotionaler Bedeutung für die Gemeinde, meint Judith Rupp vom Bistum Trier. In Düsseldorf und Wuppertal liegen Vandalismusvorfälle weit zurück. Ob Franziskanerkloster oder Citykirche – in diesen Städten habe man keine Probleme mit Zerstörung und Diebstahl. In der Bielefelder Pauluskirche hingegen wurde in der Nacht zu Freitag ein Einbruch festgestellt.

„Wir können sagen, dass die Zahl der Fälle erfreulich gering ist“, sagt Jens Peter Iven von der Evangelischen Kirche im Rheinland. „Das hat zwei Gründe: Traditionell sind evangelische Kirchen außerhalb der Gottesdienst- und Veranstaltungszeiten zumeist verschlossen. Und dort, wo sie zu bestimmten Zeiten verlässlich geöffnet sind, ist in aller Regel jemand als Ansprechperson anwesend und hat auch im Blick, was in der Kirche passiert.“

Grenze zwischen Profanem und Sakralem besteht nicht mehr

Ganz anders beim Kölner Dom: „Vandalismus ist hier ein weitgefächertes Problem“, erläutert Dombaumeister Füssenich. „Es fängt an mit kleinen Dingen wie Verunreinigungen.“ Nicht nur zu Karneval benutzen Männer die vielen Ecken als Urinal und tragen damit zur Zersetzung des jahrhundertealten Steins bei. „Die Dombauhütte beschäftigt eigens einen Mitarbeiter, der jeden Tag nichts anderes macht, als einmal den ganzen Bereich um den Dom herum zu säubern.“

Jeden Tag strömen etwa 30.000 Besucher hinein. Füssenich: „Wir stellen mehr und mehr fest, dass die Menschen mit unveränderter Haltung aus der Einkaufszone in den Dom gehen, mit einer Frittentüte oder einem Kaffeebecher in der Hand.“ Die Schwelle vom Profanen zum Sakralen bestehe für diese Besucher nicht mehr. Deshalb hätten die Domschweizer – die Ordnungshüter – immer alle Hände voll zu tun. Es gibt sogar Leute, die mit dem Fahrrad in den Dom kommen und es dort mit einer Kette abschließen. „Damit geht auch immer eine tiefe Verletzung der religiösen Gefühle der Gläubigen einher – von uns Christen aber auch aller anderen Religionen“, sagt Sarah Meisenberg vom Erzbistum Köln.

Der Kriminologe Christian Pfeiffer führt dieses Verhalten auf eine veränderte Grundhaltung zurück. „Ich erinnere mich noch an die 50er Jahre, als man wie auf Zehenspitzen durch die Kirchen lief und nur im Flüsterton sprach. Das ist heute für viele Menschen ganz anders.“ Das Heilige habe sich für sie verflüchtigt, die meisten Menschen stünden der Kirche distanziert gegenüber.

Am Dom will man jedenfalls Konsequenzen ziehen: Nachdem das Nordportal mit seinen filigranen Skulpturen in den vergangenen Jahren aufwendig restauriert worden ist, soll es nach der Fertigstellung im kommenden Jahr mit einem Gitter abgesperrt werden.