Süchteln Was tun gegen Einsamkeit im Alter?
Süchteln · Viele Menschen neigen dazu, im Alter zu vereinsamen. Der Gesprächskreis Heimat und Soziales in Süchteln hat sich diesem Thema angenommen. Welche gesundheitlichen Folgen Isolation haben kann und wie man dagegen ansteuert.
Die Kinder sind aus dem Haus, der langjährige Partner zu früh gestorben, die Nachbarn sind Unbekannte – so oder so ähnlich geht es wohl vielen Menschen im Rentenalter. Deshalb hat der Gesprächskreis Heimat und Soziales in Süchteln am Mittwoch, 4. Dezember, Einsamkeit im Alter thematisiert.
Wie Einsamkeit und soziale Isolation entstehen
Um sich dem Thema zu nähern, referierte der Chefarzt der Gerontopsychiatrie und Psychotherapie, Timm Strotmann-Tack aus der LVR-Klinik im Theodor-Graver-Haus. Ihm zufolge gibt es vielfältige Ursachen für soziale Isolation und daraus entstehende Einsamkeit im Alter: „Oft spielt geografische Entfernung eine Rolle“, sagt er, „wenn die Kinder und Enkelkinder beispielsweise weit wegziehen.“ Ältere Personen bleiben zurück und ein Besuch wird durch einen weiten Weg erschwert.
Damit verbunden ist das Gefühl abgehängt zu sein. „Man nennt das auch digitale Kluft“, sagt Strotmann-Tack. „Wenn man jung ist, nähert man sich digitalen Neuerungen viel leichter und unbeschwerter.“ Doch im Alter lasse das Interesse oder die Motivation nach. So könne man nicht mehr mithalten und fühle sich abgehängt. Dabei ist es insbesondere, wenn Freunde und Verwandte nicht um die Ecke wohnen, ein Vorteil über digitale Geräte Kontakt halten zu können.
Für viele sei zudem die Schnittstelle zwischen Arbeitsleben und Renteneintritt ein Problem. „Vielen Personen fällt es nicht leicht, mit dem neuen Lebensabschnitt umzugehen“, sagt Strotmann-Tack. „Sie wissen nicht mehr, was sie mit dem Leben anfangen sollen.“ Das könne an fehlenden Strukturen liegen. „Vorher war der Tag durch den Arbeitsalltag durchgeplant.“ Hinzu kämen soziale Kontakte, die man zuvor jeden Tag gesehen hat und mit dem Eintritt in die Rente nicht mehr. „Auch Kollegen können Freunde sein.“
Gesundheitliche Folgen durch Einsamkeit
Laut Strotmann-Tack führen Einsamkeit und Isolation in jedem Fall zu einer Verschlechterung der eigenen Stimmung, das könne er auch aus seinem beruflichen Kontext bestätigen. „Die Wahrscheinlichkeit, depressiv zu werden, steigt“, sagt der Arzt.
Außerdem sei das Gehirn weniger Reizen ausgesetzt. „Durch weniger Interaktion hat es weniger zu tun und schaltet in gewisser Weise ab.“ So steige das Risiko an Demenz zu erkranken. „An dieser Stelle spielt übrigens auch Schwerhörigkeit eine Rolle, weil man dadurch von Gesprächen abgeschnitten wird.“
Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen würden durch Einsamkeit begünstigt. Menschen mit schwachem sozialen Umfeld und fehlenden Beziehungen würden zudem schlechter schlafen, was sich wiederum auf den Alterungsprozess, die Gesundheit und die Belastbarkeit auswirke. „Das Immunsystem insgesamt wird geschwächt“, sagt Strotmann-Tack.
Dass Einsamkeit die Gesundheit beeinträchtigt, wurde in den vergangenen Jahren auch von der Politik mehr in den Fokus genommen. „Die Ampel hat in ihrem Koalitionsvertrag die Prävention von Einsamkeit im Alter festgehalten“, sagt Strotmann-Tack. Auf der Seite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist deshalb seit Oktober 2024 die „Strategie gegen Einsamkeit“ zu finden.
Strategien aus der Isolation
Zunächst einmal gibt es Anlaufstellen, beispielsweise in Form von Hilfetelefonen wie das „Silbernetz“. „Der Name leitet sich von dem Wort Silberrücken ab, der für ältere Gorillas verwendet wird. Unter der Hotline, die kostenlos ist, reden Menschen über das Telefon mit einem und vermitteln auch Menschen, die persönlich vorbeikommen“, sagt Strotmann-Tack. Ein ähnliches Angebot gebe es auch von den Maltesern.
Zum Abschluss seines Vortrags gibt Strotmann-Tack noch ein paar Tipps, wie Betroffene den Weg aus der Isolation finden können: Man solle sich bemühen, die Lebensfreude wiederzufinden. „Jeder weiß, was ihm Freude bringt, was ihm guttut. Es gibt einfach Dinge, die einem direkt ein wohliges Gefühl geben.“ Den Anwesenden der Gesprächsrunde fielen auch direkt ein paar Beispiele ein: „Töpfern“, sagte eine Zuhörerin sofort und „Stricken“ eine andere.
Struktur in den Alltag bringen, indem man ihn konkret plant und auch proaktiv Kontakt zu anderen suchen, könne helfen, sagt Strotmann-Tack. „Häufig gerät man in eine Gedankenspirale und überlegt, was der andere wohl denkt, wenn man sich jetzt nach langer Zeit wieder meldet. Aber häufig sind diese Gedanken übertrieben und in Wahrheit freut sich der andere, etwas zu hören.“
Weitere Strategien sind einem Hobby nachzugehen, Sport machen, neuer Technik eine Chance geben und mutig netzwerken. „Das fängt schon beim Grüßen der Nachbarn an“, sagt der Arzt. Es könne aber auch ehrenamtliches Engagement sein. „Das bringt sowohl Wertschätzung als auch Erfüllung und man ist weiterhin in Interaktion mit anderen Menschen.“