Sport und Politik Wie NRW für den Fußball bürgt

Düsseldorf. · Immer wieder tritt das Land finanziell für Fußballvereine ein – warum eigentlich?

Auf einem Kassenhaus vor der Veltins-Arena in Gelsenkirchen steht „Stolz ein Schalker zu sein“. Der FC Schalke 04 erhofft sich offenbar von der Regierung in Nordrhein-Westfalen eine neue Millionen-Bürgschaft.

Foto: dpa/Fabian Strauch

Die Aufregung hält an, die Wellen schlagen hoch: Gestern hat die SPD im Düsseldorfer Landtag zu Beginn der Sommerruhe eine Sondersitzung des Finanzausschusses beantragt. Man wolle, hieß es von den Genossen, mehr zur offenbar neuen Landesbürgschaft für den Fußball-Erstligisten FC Schalke 04 wissen: Bis zu 40 Millionen Euro sollen angefragt sein vom Ruhrpottverein. Die in der Coronakrise notwendigen neuen Kredite auf Schalke bräuchten eine Deckung, wenn nichts mehr geht. In der Landesregierung, die – so hört man – politisch darüber nicht zur Entscheidungsreife gelangt ist und das Anliegen aus Gelsenkirchen ohnehin nicht offiziell bestätigt, taugt der Fall für sensible Betrachtung. Die Gründe: Schalkes hohe Verschuldung von insgesamt fast 200 Millionen Euro, der Fall Clemens Tönnies als gerade zurückgetretener S04-Aufsichtsrat mitsamt lautem Corona-Fleischskandal im heimischen Unternehmen, dazu der gerade erst geschasste Finanzchef Peter Peters: Über dem offenbar designierten Finanzdeal zwischen Blau-Weiß und Land NRW hängen dicke, schwarze Wolken und eine aufmerksame Öffentlichkeit als Steuerzahlergemeinde.

Bürgschaften für den
Fußball gibt es immer wieder

Dabei ist der Vorgang nicht so neu, als dass er mit Zustandekommen eine Sensation wäre. Ohne Bürgschaften vom Land Nordrhein-Westfalen stünde heute die vom verstorbenen Ex-Manager Rudi Assauer stolz voran getriebene Schalke-Arena nicht: Für fast 128 Millionen Euro bürgte das Land, die Finanzierung ist inzwischen erledigt. Selbst beim Bau des „Berger Felds“ zur Umgestaltung und Erweiterung des Schalker Vereinsgeländes bis 2015 hat das Land für Kredite des Vereins mit 47 Millionen Euro gebürgt, auch die sind Historie. Das geht aus vertraulichen Unterlagen des NRW-Finanzministeriums hervor, die dieser Zeitung vorliegen. Eine vorerst letzte Absicherung wurde im Sommer 2019 für 56 Millionen Euro  der Schalker Stadion-GmbH gewährt. S04 mag ein passabler Steuerzahler und Arbeitgeber sein – aber für das Land NRW ist er auch ein gewaltiges Risiko.

Schalkes Erzrivalen Borussia Dortmund hat die Landesregierung nicht weniger großzügig bedacht: Von 1995 bis 2002 standen die Landesregierungen der damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau und Wolfgang Clement (beide SPD) für den Ausbau des Westfalenstadions in Dortmund mit Landesbürgschaften parat: mit insgesamt drei Bürgschaften in einem Gesamtvolumen von fast 65 Millionen Euro. Anders als Schalke hat der BVB seine Verbindlichkeiten in Gänze abgebaut, es besteht also für das Land NRW kein Risiko mehr, weil „die verbürgten Kredite vollständig zurückgeführt wurden“, wie es in den Papieren heißt. Wie auch die Bürgschaften von 2005, als der BVB unter dem Präsidenten Niebaum um die pure Existenz gebangt hat und NRW-Wirtschaftsminister Harald Schartau (SPD) zur Seite sprang.

Genau diese Verbindung zwischen Fußball und Landesregierung ist – das hat NRW-Ministerpräsident Armin Laschet vor Tagen vor der Presse deutlich gemacht, als er ob einer möglichen neuen 40-Millionen-Euro-Bürgschaft für Schalke kritisch hintefragt wurde, eine dauerhafte: Wo Profi-Fußballvereine als Wirtschafts- und auch Renommee-Betrieb ins Schleudern geraten, ist das Land NRW nicht weit – und mit ihm der Steuerzahler. Aber wieso eigentlich?

Zahlt der Steuerzahler am Ende die Millionengehälter?

Der Bund der Steuerzahler in NRW jedenfalls hält das Modell für untragbar. „Im Breitensport darf und muss das sein“, sagt Jens Ammann, Projektleiter öffentliche Finanzen beim Bund der Steuerzahler in NRW. „Nicht aber bei Profivereinen. Am Ende steht der Steuerzahler womöglich für das horrende Gehalt des Millionen-Stürmers gerade. Das darf nicht sein. Wenn die Vereine es erwirtschaften, ist es gut. Wenn nicht, kann nicht der Steuerzahler gerufen werden.“ Ammann kann auch nicht verstehen, warum das Land solche Bürgschaften nicht öffentlich machen muss, da es sich letztlich um Steuergeld handelt, mit dem Bürgschaften im schlimmsten Fall eingelöst würden, etwa bei Zahlungsunfähigkeit der Clubs.

Aus dem NRW-Finanzministerium allerdings wird höchste  Geheimhaltung vorgegeben. „Das Land NRW übernimmt im Rahmen der Ermächtigung des Paragrafen 18 Haushaltsgesetz Bürgschaften zur Wirtschaftsförderung“, heißt es dort von einem Sprecher. Die Bürgschaftsrichtlinien begründen „das Bürgschaftsgeheimnis, wonach alle Verhandlungen, Beratungen, Unterlagen und Auskünfte vertraulich zu behandeln sind“. Heißt konkret: Offiziell ist darüber nichts zu erfahren. Für Ammann ist das ein Vorgehen, das auf den Prüfstand gehöre. Er erinnert an die Subventionen in Duisburg, wo die Stadt ständig für neue Bürgschaften gerade stehe. „Wo man einmal als Steuerzahler dahinter steht, gelangt man oft in eine Subventionsspirale, weil dann neues Geld gebraucht wird, um altes nicht zu verlieren.“ Auch in Mönchengladbach, Bielefeld, Bochum oder Aachen hat das Land beim Neu- oder Ausbau von Stadien geholfen, zumeist ist man glimpflich davon gekommen, weil die Kredite abgezahlt werden konnten.

Klar ist die Motivation der Politik für den Eingriff: Das Land verfügt auf diese Weise über moderne Stadien und eine Vielzahl von NRW-Erstligisten, die auf die Landesregierung abstrahlen, zudem als Steuerzahler und Arbeitgeber auch Wirtschaftskraft entwickeln. Und als Unterhaltungskünstler in den etwa bisweilen spröden Ruhrgebietsstrukturen als echte gesellschaftliche Anker fungieren.

Wie die Landesregierung jetzt im Fall Schalke entscheiden wird, ist unklar. Klar ist, dass die durch Corona offenbar entstandenen Verluste auf Schalke in ihrer Bewertung für anstehende neue Hilfen nichts mit der aktuell streitbaren Rolle des Ex-Aufsichtsrats Clemens Tönnies zu tun haben sollten. Ob sich allerdings ein hoch verschuldeter Verein aus der Not stehlen kann, indem er die Steuerzahler ins Risiko setzt, das muss jetzt politisch entschieden werden. BVB-Chef Hans-Joachim Watzke hat dazu seine Meinung kundgetan: „Ich finde, das ist nicht ehrenrührig. Von uns als Fußball-Bundesliga wird verlangt, dass wir die gleichen Steuern zahlen, dass wir sie pünktlich zahlen“. Deshalb müsste auch in der Corona-Not Hilfe zur Verfügung stehen.