Tanzprojekts „Cercles“ auf dem Sportplatz Höfen 200 Tänzer machen Wuppertaler Fußballfeld zur Tanzfläche (mit Video)

Wuppertal · Rund und rund und immer weiter, bis zur fröhlichen Ekstase. So drehten sich am Sonntag 200 Tänzerinnen und Tänzer auf dem Sportplatz Höfen in Oberbarmen, der damit zur großen Tanz-Arena wurde.

200 Tänzerinnen und Tänzer, darunter Profis, Tanz-Studierende und Laien, führten gemeinsam eine Choreografie auf.

200 Tänzerinnen und Tänzer, darunter Profis, Tanz-Studierende und Laien, führten gemeinsam eine Choreografie auf.

Foto: Karl-Heinz Krauskopf

Zu sehen war „Cercles“, die zweite partizipative Produktion von Tanztheater-Intendant Boris Charmatz, die Profis, Amateure und Laien spannende und manchmal berührende Bilder produzieren ließ, Assoziationen weckte von Endlosigkeit, Zugehörigkeit und Ausgrenzung, begeistertem Mitreißen und gefährlichem Tempo.

Am Ende sprangen und hüpften die Tänzerinnen und Tänzer, hielten sich an den Händen, rollten über den Kunstrasen des Sportplatzes, stießen Freudenschreie aus, winkten ins Publikum – weiterhin im Kreis und zu immer schnellerer Musik der Hamburger Techno-Marching-Band „Meute“. Beim dritten und letzten Durchgang waren die Tänzer – wenn auch zum Teil sichtbar erschöpft – besonders euphorisch.

Begonnen hatten sie mit einer langsamen, traumartigen Sequenz: Im Mittelkreis des grünen Fußballfeldes lagen oder kauerten die Tänzer, immer wieder erhoben sich einige wie in Zeitlupe, umarmten einander bei Begegnung, trennten sich wieder oder sanken gemeinsam zu Boden – ein Auf und Ab, ein Werden und Vergehen. Die Musik von „Meute“, die schnelle und vor allem handgemachte Technobeats mit verspielten Klängen von Trompete und anderen Blasinstrumenten sowie Marimba verbindet, steigerte sich dabei in Tempo und Intensität.

 Der Mittelkreis des Fußballfeldes und ein weiterer  - aus Sand gezogener - Kreis bildeten den Ausgangspunkt der Choreografie.

Der Mittelkreis des Fußballfeldes und ein weiterer - aus Sand gezogener - Kreis bildeten den Ausgangspunkt der Choreografie.

Foto: Evangelos Rodoulis/Tanztheater Pina Bausch/Evangelos Rodoulis

Eine zusammenhängende
tanzende Menge

Bis sie sich alle mit Blick nach außen an der Kreislinie aufstellten und eine kraftvolle gemeinsame Choreografie begann – frei nach dem Solo „Revolutionary Study“ von Isadora Duncan, der Pionierin des Ausdruckstanzes. Sie hatte damit 1921 in Russland tänzerisch den Kampf der Arbeiter gegen Unterdrückung auf die Bühne gebracht. Boris Charmatz sah von ihr über Friedrich Engels die Verbindung zu Wuppertal. Aber auch ohne dieses Wissen bot das Aus-dem-Kreis-Stolpern, -Schreiten und -Stampfen, das Zurückziehen und das gemeinsame Recken der Fäuste viele sprechende Bilder von Zusammenbruch und Aufbegehren.

200 Tänzer machen Wuppertaler Fußballfeld zur Tanzfläche (mit Video)
Foto: Jürgen Steinfeld/Tanztheater Pina Bausch/Jürgen Steinfeld

17 der Mitwirkenden waren Profi-Tänzer des Tanztheaters Pina Bausch oder der Formation „Terrain“ von Boris Charmatz, 16 Mitwirkende waren Tanzstudierende, die übrigen Interessierte, die sich auf das Abenteuer Tanz unter Anleitung von Boris Charmatz eingelassen, im Mai und im September die Choreografie einstudiert hatten. Und eine Handvoll Menschen, die im Juni beim Festival in Avignon an der Choreografie mitgewirkt hatten, waren ebenfalls dabei. Vielen war die Freude am Tanz anzusehen, einige genossen es besonders, mit dem Publikum zu interagieren.

Das saß rund um die Kreistänzer auf der künstlichen Wiese, einige auf Decken, andere standen, viele wippten mit den wummernden Beats mit. Wer auf der Tribüne an einer Seite des Platzes saß, hatte einen besseren Blick auf die Formationen, von der Wiese aus ließen sich Tänzerinnen und Tänzer besser als Individuen beobachten.

Das Publikum beobachtete stehend und sitzend von außen die Tanzperfomance in der Mittes des Fußballfeldes.

Das Publikum beobachtete stehend und sitzend von außen die Tanzperfomance in der Mittes des Fußballfeldes.

Foto: Kevin Bertelt

Alle verbindendes Element war jeweils ein silberfarbenes Kleidungsstück: viele Shirts, Kleider und Röcke, mal nur Ärmel oder Schuhe, einige durch spiegelnde Pailletten gleißend hell, andere dunkler, aber alle in der strahlenden Sonne blitzend. Kombiniert dazu waren Hosen, Leggings, Röcke und Kleider in kräftigen und leuchtenden Farben, die in Bewegung zu einem vielfarbigen Wirbel wurden.

Nach der Duncan-Choreografie folgten Passagen, in denen sich die Tänzer im Rundlauf frei zur Musik bewegten, dann wieder im Gleichschritt mal seitwärts mal vorwärts im Kreis liefen, dabei schneller wurden, sich enger zusammenschlossen, bis alle eine zusammenhängende tanzende Menge bildeten, die sich gefährlich schnell drehte, sich wieder löste und erneut langsam enger rückte. Eine weitere Choreografie im Uhrzeigersinn mit langsamen Phasen und ausdrucksvollen Armgesten bot suggestive Bilder von Sehnsucht und Abwehr, die etwas darunter litten, dass die Synchronizität weniger gut gelang.

Im Schlusspart konnten alle ihrer Freude an Bewegung in großen Gesten und Sprüngen Ausdruck verleihen – bis sie zurück in den Kreis fanden, vom Boden in die Höhe wuchsen und wieder zurücksanken. Dreimal tanzten die Teilnehmer den Zyklus, und auch danach war der Tanz nicht vorbei: Dann war das Publikum geladen, zu den Tänzern auf der Wiese zu stoßen, sich diesmal zu elektronischen Technoklängen zu bewegen.