Fastenzeit 40 Tage ohne Süßes, Fernsehen und das Auto
Die Zeit vor Ostern nutzen viele zum Fasten — und um sich darauf zu besinnen, was sie wirklich brauchen.
Wuppertal. Wie ist es eigentlich, auf etwas zu verzichten? Bei manchen Dingen ist es leicht, weil sie einem nicht so wichtig sind. Aber wie ist es mit liebgewordenen Ritualen im Alltag? Zum Beispiel das Stück Schokolade zwischendurch, das Bier zum Feierabend oder der Griff zur Fernbedienung, um den Arbeitstag hinter sich zu lassen? Da wird es schon schwieriger.
Aber ich will es wissen — und in den kommenden sieben Wochen auf Süßigkeiten verzichten. Die eignen sich zwar wunderbar, um die Nerven zu beruhigen, aber der Körper würde sich sicher über eine Zuckerpause freuen.
„Wenn wir auf etwas verzichten, gewinnen wir auf der anderen Seite etwas“, schildert Frank Beyer seine Erfahrung mit dem Fasten. Er ist Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Vohwinkel und leitet die Fastengruppe „Sieben Wochen plus“.
Beyer verzichtet während der kommenden sieben Wochen auf das Fernsehen. Nicht zum ersten Mal. „Wenn ich auf eine Gewohnheit verzichte,ist nicht sofort eitel Sonnenschein“, beschreibt Beyer sein Fastenerlebnis. Denn plötzlich gewinnt man Zeit für anderes. Es kommt die Frage auf, was man damit macht. Beyer nutzt die Zeit, um ein Buch zu lesen, zu beten oder um Musik zu hören. „Nach der Passionszeit habe ich mich gefragt, woher ich vorher die Zeit fürs Fernsehen genommen habe“, sagt Beyer.
Nicht alle Teilnehmer schaffen es, die 40 Tage durchzuhalten. Manche schaffen es nur eine Woche lang, auf Alkohol oder Zigaretten zu verzichten — sie sind aber weiter in der Fastengruppe willkommen.
Und die Katholiken? In ihrer Kindheit gehörte das Süßigkeitenfasten in den sieben Wochen vor Ostern für meine Eltern dazu. „Katholiken fasten nach dem Vorbild Jesu, der 40 Tage und Nächte in der Wüste gefastet hat“, sagt Pfarrer Bruno Kurth, Stadtdechant der Katholischen Kirche in Wuppertal. Die österliche Bußzeit sei eine Zeit, um sich innerlich auf Ostern vorzubereiten. Der Verzicht auf Alkohol oder Süßigkeiten könne zudem helfen, über Lebensgewohnheiten nach zu denken.
Kurth schätzt die Erfahrung, dass man auch mit weniger auskommt. In der Fastenzeit will er weniger konsumieren. Er verzichtet zum Beispiel auf Alkohol und darauf, ins Kino und Essen zu gehen. Die gewonnene Zeit will er nutzen, um sich zu besinnen.
Sich besinnen, das ist auch ein Anliegen der Politik. Der Grünen-Verkehrsexperte im Bundestag, Stephan Kühn, schlägt ein freiwilliges „Autofasten“ von Aschermittwoch bis Ostern vor. Die Aktion wird von Anja Liebert, Fraktionsvorsitzende der Wuppertaler Grünen, begrüßt. „Das Autofasten ist eine gute Möglichkeit auszuprobieren, auf Bus, Bahn oder das Rad umzusteigen.“ Es sei wichtig, den Vorschlag als Angebot zu verstehen, sich bewusster mit dem Thema auseinanderzusetzen. Mit den gesundheitsschädlichen Stickoxidwerten an der Talachse, am Steinweg oder an der Gathe gebe es immerhin einen konkreten Anlass, auf das Auto zu verzichten.
„Wir merken nach Karneval mit Beginn der Fastenzeit ein Durchatmen unserer Gäste“, sagt Richard Hubinger, Geschäftsführer des Wuppertaler Brauhauses. Aber einen gravierenden Rückgang im Konsum könne er nicht feststellen. Natürlich verzichten einige Gäste ab und zu für einige Wochen auf Alkohol, aber das sei unabhängig von der Fastenzeit.
Zurück zu meinem Vorhaben: Ich fange Mittwoch an zu fasten. Allerdings ist die Aussicht, 40 Tage auf Schokolade, Kekse und Kuchen zu verzichten, nicht erfreulich. Aber einen Versuch ist es wert. Die Kiste mit den Süßigkeiten packe ich vorsichtshalber in den Keller.