Kinderbetreuung 60 Prozent der Wuppertaler Kita-Kinder werden kostenfrei betreut
Die Stadt will die Beitragstabelle aktualisieren — und oben wie unten nachbessern.
In den kommenden Wochen werden wieder zahlreiche Eltern Zusagen oder Absagen für Betreuungsplätze für ihre Kinder erhalten. Je nach Anzahl der fehlenden Plätze wird der Ruf laut sein nach mehr Einrichtungen. Die Stadt wird vom Hase-und-Igel-Rennen sprechen, bei dem sie sich alle Mühe gibt, aber mit dem Bau neuer Einrichtungen nicht hinterherkommt. Auch wenn Wuppertal mittlerweile Spitzenreiter beim Bau neuer Einrichtungen sei. Die Probleme werden geringer. Aber sie bleiben da. Die Bevölkerung wächst, der Bedarf nach Betreuung wächst mit, auch weil die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt positiv sei. Die Stadt kann nur nicht schnell genug reagieren, sagt sie.
Weniger bekannt als dieses Problem ist dagegen, wie es eigentlich um diejenigen steht, die Betreuungsplätze haben — und bezahlen. Die Grünen haben kürzlich im Jugendhilfeausschuss nachgefragt. Wie erklärt die Stadt, dass die Betreuungsgebühren für Geringverdiener höher ausfallen als im NRW—Durchschnitt? Warum zahlen Eltern mit höherem Einkommen geringere Gebühren als im NRW-Vergleich? Und wie viele Eltern zahlen überhaupt?
Zum Verständnis muss man die Zahlen etwas aufschlüsseln. In Wuppertal ist die Kinderbetreuung bis zu einem Einkommen von 12 500 Euro frei, danach staffelt sich der Beitrag sowohl nach Betreuungsdauer (25, 25, 45 Stunden), als auch nach Einkommen - in sechs weiteren Schritten von 25 000 bis mehr als 71 000 Euro. Zusätzlich unterscheidet die Stadt zwischen der Betreuung von Kindern unter zwei Jahren und über zwei Jahren beziehungsweise zwischen der Betreuung in Kindertagesstätten und in der Tagespflege.
Durch die Einstufung in die geringste Gehaltsstufe werden laut Stadt (Stand Ende 2016) 1,2 Prozent der Kinder (129) in Tagesstätten kostenfrei betreut und 2,8 Prozent (14) der Kinder in der Tagespflege. Dadurch, dass in Wuppertal aber auch Kinder kostenfrei betreut werden, deren Geschwister in der Kita sind oder im Offenen Ganztag, ebenso wie die, deren Eltern staatliche Leistungen beziehen und — nach einem Landesgesetzt — die, die im letzten Kindergartenjahr sind, sind insgesamt 59,7 Prozent der Kinder (6283) kostenfrei in den Kindertagesstätten. In der Tagespflege sind es 23,1 Prozent (114). Die meisten davon weil sie im letzten Jahr vor der Grundschule sind (28,9 Prozent).
Dadurch ergibt sich, dass die Beiträge für die restlichen Kinder auch die Betreuung der befreiten Kinder mittragen.
Den größten Anteil daran hat die Spitzengruppe mit einem Einkommen ab 71 000 Euro. Bei den Tageseinrichtungen sind es 1212 Kinder (11,5 Prozent), bei der Tagespflege 142 (28,9 Prozent). Laut Cornelia Weidenbruch, Stadtbetriebsleiterin der Tageseinrichtungen für Kinder, machen diese Beiträge knapp die Hälfte der Gesamteinnahmen aus Elternbeiträgen aus. Insgesamt sind das 7,6 Millionen Euro. Dazu kommt ein Zuschuss von 2,8 Millionen Euro durch das Land für die Kinder im letzten Betreuungsjahr. Durch beide Positionen nimmt die Stadt zwölf Prozent der Betriebskosten ein.
Dabei ist Wuppertal weder besonders großzügig gegenüber Bedürftigen, noch nimmt sie besonders viel von Besserverdienern. Im Schnitt zahlen Familien in NRW erst ab einem Jahreseinkommen von 18 514 Euro überhaupt Beiträge - und den Spitzensatz erst ab 103 607 Euro.
Weidenbruch erklärt das damit, dass Wuppertal die ehemals vom Land festgelegten Einstufungen seit Einführung des Kinderbildungsgesetzes (Kibiz) 2008 nicht geändert habe. „Es gibt aber Kritik an der Tabelle. Und das sehen wir auch. Sie müsste angepasst werden“, sagt Weidenbruch. Sie plant, der Politik eine Änderung im kommenden Jahr vorzuschlagen — einerseits eine Erhöhung des Freibetrages, andererseits eine Ausdifferenzierung und Erhöhung der höheren Einkommenstufen und des Höchstsatzes. Wie hoch das gehen wird? „Das werden wir prüfen“, sagt sie.
Weidenbruch sagt aber auch, dass sie sich eine einheitliche Anpassung auf Landesebene wünsche. Marcel Hafke, familienpolitischer Sprecher der FDP im Landtag, sagt, dass die im Falle einer Kibiz-Reform auch anstehe. Ziel sei aber die Beitragsfreiheit. Solange begrüße er die Absichten der Stadt. Der Höchstsatz ab einem Einkommen von 71 000 Euro sei nicht mehr zeitgemäß. Er warnt davor, den Höchstbetrag zu hoch anzusetzen. Sonst flüchteten Besserverdiener in die Privatbetreuung. Das wäre bildungspolitisch fatal.