Neuerscheinung Produktives Streiten: Wie rationale Debatten gelingen

Wuppertal · Vier junge Autoren untersuchen die Ursachen für ineffiziente Diskussionen und zeigen Lösungen.

 Felix Urban mit seinem Buch „Produktives Streiten“

Felix Urban mit seinem Buch „Produktives Streiten“

Foto: Lioba Urban

Im achten Band der Schriftenreihe der Giordano-Bruno-Stiftung identifizieren die Autoren Tobias Wolfram, Felix Urban, Michael Tezak und Johannes Kurzbuch, warum wir oft nicht effektiv streiten und welche Auswege es gibt, um von Streitgesprächen zu profitieren. Die deutsche Diskussionskultur befinde sich in einer Krise. Es werde gegeneinander angeredet, nicht mehr produktiv miteinander gestritten.

So beginnt der kürzlich erschienene Text, an dem Felix Urban aus Wuppertal mitgewirkt hat. Urban beschäftigt sich nun seit zehn Jahren mit der Debattenkultur. In den letzten Jahren sei diese defizitärer geworden. Das Jahr 2015 könne man als entscheidenden Punkt, der diese Situation verstärkt hat, sehen. Die Konfrontation mit dem „Anderen“ sei für einige pauschalisierend schlecht und für andere eine Möglichkeit der Neugestaltung der Gesellschaft. Dieses Beispiel zeigt, wie der Mangel an produktiven Debatten zur Lagerbildung beiträgt. Es sei nicht mehr entscheidend, was das richtige Argument ist, sondern auf welcher Seite man steht. Im Buch heißt es: „Zum Erhalt des eigenen Weltbildes grenzen sich beide ab oder diffamieren sich gegenseitig – stets im Glauben, auf der richtigen Seite zu stehen.“ So habe Urban selbst durch Meinungsverschiedenheiten, die nicht produktiv debattiert wurden, Freundschaften verloren.

Urban ist studierter Germanist, Philosoph sowie Erziehungswissenschaftler und unterrichtet am Carl-Fuhlrott-Gymnasium in Wuppertal. Basierend auf den Leitmotiven, die im Buch erörtert werden, bedeutet produktives Streiten für ihn, dass man offen für neue Erkenntnisse und Argumente ist. Dass man ehrlich ist und ein gewisses Wohlwollen mit ins Gespräch bringt. Man solle die Position des Gegenübers nicht direkt herabsetzen. Stattdessen solle man diese als „anders“ klassifizieren und darauf aufbauend die eigenen Erkenntnisse hinterfragen. Es ginge vor allem darum, goldene Brücken zu bauen. Der ultimative Ausweg aus der defizitären Debattenkultur sei die Neugier. „Die natürliche Neugier sollte man erhalten - als sozialen Kit für produktives Streiten. Als Möglichkeit der gemeinsamen Wahrheitssuche“, so Urban.

Im Zeitalter der digitalen Kommunikation in den Sozialen Medien wird die effiziente Debattenkultur zusätzlich auf die Probe gestellt. Soziale Medien seien laut Urban ein Katalysator für Tendenzen der Lagerbildung und für die Tendenz des emotionalen und aggressiven Umgangs. Denn jede Meinungsäußerung kann man dort anonym tätigen. Trotzdem können die Sozialen Medien auch positiv zur Debattenkultur beitragen – wenn man sich der Debatte verpflichtet fühlt und nicht nur Recht haben will.  Das Buch der vier jungen Autoren war ursprünglich als Begleittext für die Stiftung gedacht und an das humanistische Spektrum adressiert. Als der Text immer länger wurde, habe die Stiftung ihn als kleines Büchlein veröffentlichen wollen. So sei auch das Spektrum weiter geworden. Nun hoffen die vier Autoren, alle gesellschaftlichen Ebenen zu erreichen. Denn parallele Ideenwelten, in denen man nicht mehr in der Lage ist, gemeinsam zu diskutieren gibt es überall. Aber produktives Streiten ist laut Urban der „Grundbaustein einer demokratischen und multikulturellen Gesellschaft, um herauszufinden, wie wir gemeinsam leben wollen.“