Als das weiße Monster das Osterfest ruinierte

Uwe Becker verbindet mit Ostern keine schönen Erinnerungen.

Foto: Joachim Schmitz

Kurz vor Ostern kommen bei mir immer Erinnerungen hoch, über die ich lieber nicht berichten möchte. Ich mache an dieser Stelle aber eine Ausnahme, da ich mir diese traumatischen Erlebnisse auch mal von der Seele schreiben muss. Mein erstes Osterfest habe ich bewusst im Alter von fünf Jahren wahrgenommen. Es war Ostersonntag, als die zweite Frau meines Großvaters beim Mittagessen plötzlich tot vom Stuhl fiel. Ich erinnere mich, dass ich den Schokoladenhasen, den meine Stiefgroßmutter mir an diesem Tag mitgebracht hatte, auch Wochen später nicht essen konnte, obwohl ich als kleiner Junge Süßes über alles liebte.

Als ich den Hasen dann im Sommer auf die Fensterbank stellte, damit er auf die Heckinghauserstraße schauen konnte, schmolz er in der heißen Mittagssonne. Ich legte den weichen, deformierten Schokoladenklumpen dann vorsichtig in den Kühlschrank, damit er wieder eine festere Konsistenz bekam, und beerdigte ihn am Abend im Garten hinter dem Wohnhaus.

Begrabt mein

Herz in Wuppertal

Auch in den folgenden Jahren waren die Osterfeierlichkeiten immer mit höchst merkwürdigen, befremdlichen oder traurigen Ereignissen verbunden. Am Karsamstag 1960 kam ein Nachbarsjunge ums Leben, als er von einer Straßenbahn erfasst wurde.

Zwei Jahre später besuchten uns Tante Gertrud und Onkel Hans mit ihren Kindern. Beim Osterspaziergang im Murmelbachtal sollten mein größerer Bruder und der älteste Cousin vorab losgehen, um für uns kleinere Kinder auf dem Weg gut sichtbar Ostereier und Schokoladenhasen abzulegen. Wir fanden nicht ein einziges Ei, und ich fragte mich die ganze Zeit, warum meine Eltern und meine Tante immer wieder betonten, wir Kinder sollten gut auf den Weg schauen, da könnte der Osterhase etwas für uns abgelegt haben. Die zahllosen Hundehaufen, die wir vorsichtig umgingen, werden sie nicht gemeint haben.

Als wir nach diesem sehr merkwürdigen Spaziergang zurückkamen, saßen mein Bruder und mein Cousin mit ihren schokoladenverschmierten Mündern im Wohnzimmer vor dem Fernseher, beteuerten ihre Unschuld, und behaupteten, wir hätten die vielen Schokoeier wohl übersehen oder eine andere Familie wäre uns zuvorgekommen. Weihnachten war eher mein Ding, die Süßigkeiten musste man nicht lange suchen, weil sie unter dem Baum lagen, und schöne Geschenke bekam man auch.

Die fürchterlichsten Ostertage meiner Kindheit lagen allerdings noch vor mir: Mein Vater schenkte mir zum Geburtstag ein braunes Kaninchen, es hieß Peter und ich liebte es sehr. Ich muss um die sieben Jahre alt gewesen sein, als mein Großvater mir zu Ostern ein weißes Kaninchen dazu schenkte. Meine Freude über das lebende Geschenk meines Opas war natürlich groß, obwohl ich Ostern immer das Schlimmste befürchtete, wenn er zu Besuch kam.

Zunächst verlief alles auch normal. Wir aßen zu Mittag und machten danach einen Spaziergang, auf dem wir aber keine Ostereier suchen mussten, diese wurden seit den Vorkommnissen im Murmelbachtal nur noch in der Wohnung versteckt. Am Abend hörten wir plötzlich qualvolle Schreie aus meinem Kinderzimmer: Blutspritzer auf meiner Max und Moritz-Tapete — der weiße Rammler hatte meinem geliebten Peter beide Eier abgebissen, er verstarb noch in der Nacht. Das weiße Monster wurde vom Großvater abgeholt, der es dann schlachten ließ. Ostern und ich werden keine Freunde mehr.